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17
Feb

Gottes Wille ist einheitlich (Institutio 1-18-03)

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Zusammenfassung

  1. die Gotteslästerungen derer, die die offenkundigen und unmissverständlichen Wunder der Bibel ablehnen
  2. Widerlegung ihres ersten Einwandes, dass wenn nichts geschieht, dass nicht von Gott gewollt ist, so gäbe es zwei widersprüchliche Willen: durch sein geheimen Plan verordnet Gott was er offen durch sein Gesetz verbietet.
    1. Zeugnis der Bibel: Augustinus
    2. nur wegen unserer Trägheit und Unvermögen des Begreifens nehmen wir an, dass es irgendeinen Widerspruch im Willen Gottes, Wesensveränderung, Planänderung oder Uneinigkeit in Gott gibt

Text

Bisher habe ich nur ausgeführt, was uns die Schrift klar und unzweideutig lehrt. Wer sich also nicht scheut, den himmlischen Worten üble Schandmale aufzu­drücken, der mag zusehen, was für ein Urteil er sich anmaßt! Gewiss: man stellt sich unwissend und möchte darüber gar noch für seine Bescheidenheit gelobt werden – aber was kann denn Hochmütigeres gedacht werden, als der Autorität Gottes ein Wörtlein entgegenzustellen? „Mir scheint es anders“ – „Das sollte man nicht be­rühren“! Will man aber (die Wahrheit) unverhohlen lästern, was hat man denn davon, wenn man den Himmel anspeit? Neu ist dieser freche Mutwille nicht eben; denn es gab zu allen Zeiten gottlose und gottferne Menschen, die gegen dies Stück der Lehre wie toll gekläfft haben. Aber sie müssen angesichts der Tatsachen die Wahrheit dessen zugeben, was einst der Geist durch den Mund Davids verkündete, nämlich daß Gott recht behalte, wenn er gerichtet werde (Ps. 51,6). Unausgesprochen straft hier David die Torheit der Menschen, die sich in der zügellosen Frechheit äußert, aus ihrem Schmutz heraus nicht nur mit Gott rechten zu wollen, sondern sich gar die Macht anzumaßen, ihn zu verdammen! Indessen deutet er kurz an, daß all die Lästerungen, die man gegen den Himmel ausspeit, Gott nicht erreichen und ihn nicht hindern, alle Wolken der Schmähungen zu durchbrechen und seine Gerechtigkeit hell hervorleuchten zu lassen. Unser Glaube aber überwindet, da er in Gottes heiligem Worte begründet ist, die Welt (1. Joh. 5,4) und schaut deshalb von seiner Höhe auf dergleichen Nebel herab!

Der erste Vorwurf lautet: wenn alles nur mit Willen Gottes geschähe, so gäbe es in ihm zweierlei entgegengesetzten Willen; denn er beschließe ja in seinem verborgenen Rat, was er in seinem Gesetz verboten habe! Das ist leicht zu wider­legen. Bevor ich aber antworte, möchte ich die Leser noch einmal daran erinnern, daß sich diese Sophisterei nicht eigentlich gegen mich, sondern gegen den Heiligen Geist richtet. Der hat doch gewiss dem heiligen Manne Hiob das Bekenntnis einge­geben: „Wie es Gott gefiel, so ist es geschehen!“ (Hiob 1,21; nicht Luthertext). Und das sagte er, als er von den Räubern ausgeplündert war und doch in ihrer Ungerechtigkeit und Übeltat Gottes gerechte Schläge anerkannte! Und was sagt die Schrift sonst? Die Söhne des Eli gehorchten ihrem Vater nicht, weil Gott sie töten wollte! (1. Sam. 2,25). Auch ruft ja ein anderer Prophet aus: „Unser Gott ist im Himmel, er kann schaffen, was er will“ (Ps. 115,3). Und ich habe doch schon deutlich genug gezeigt, daß Gott nach der Schrift der Urheber von all dem ist, was nach der Meinung dieser Kritiker bloß unter seiner müßigen Zulassung ge­schieht! Er bezeugt von sich, daß er Licht und Finsternis schafft, das Gute und das Böse macht (Jes. 45,7), daß kein Unheil geschehe, das er nicht tue (Amos 3,6). Nun soll man mir doch bloß sagen, ob er denn mit oder ohne Willen seine Ge­richte vollstreckt! Mose lehrt doch, wer von ungefähr durch ein herabfallendes Beil ums Leben komme, der sei von Gott in die Hand des Totschlägers gegeben worden (Dtn. 19,5). Und ebenso spricht es die ganze Kirche bei Lukas aus, Herodes und Pilatus seien eins geworden, um das zu tun, was doch Gottes Hand und Ratschluss beschlossen hatte! (Apg. 4,28). Und wahrlich, wäre Christus nicht mit dem Willen Gottes gekreuzigt worden – woher sollte dann unsere Erlösung kom­men? Aber deshalb streitet Gottes Wille nicht mit sich selbst, verändert sich auch nicht, stellt sich auch nicht, als ob er nicht wolle, was er doch will; nein, obwohl er an sich einer und derselbe ist, erscheint er uns doch vielfältig, weil wir in un­serer Kurzsichtigkeit nicht begreifen können, wie er auf verschiedene Weise in der gleichen Sache einerseits will, daß etwas geschieht, und es doch anderseits nicht will! An der Stelle, wo Paulus davon spricht, die Berufung der Heiden sei ein verborgenes Geheimnis (Eph. 3,9), fügt er gleich hinzu, in ihr käme die „mannigfaltige“ (polypoikilos) Weisheit Gottes zum Vorschein! (Eph. 3,10). Sollen wir aber, weil uns infolge der Schwäche unseres Sehvermögens Gottes Weisheit vielfältig – oder auch, wie ein alter Ausleger übersetzt: „vielgestaltig“ – er­scheint, etwa träumen, es bestehe in Gott selbst eine Verschiedenheit, als ob er also seinen Plan änderte oder mit sich selbst uneinig würde? Und wenn wir nicht fassen können, wie denn Gott wollen kann, daß etwas geschehe, das er doch zu tun verboten hat, so soll uns unsere Schwachheit ins Gedächtnis kommen, und wir sollen bedenken: das Licht, in dem er wohnt, wird nicht ohne Grund unzudringlich genannt; denn es ist von Dunkel eingehüllt! (1. Tim. 6,16). Deshalb werden alle frommen und demütigen Leute gern dem Ausspruch Augustins zustimmen: „Zuweilen will der Mensch in rechtem Wollen, was doch Gott nicht will; wie z.B. ein guter Sohn will, daß sein Vater lebe, Gott aber, daß er sterbe. Ebenso kann es vorkommen, daß ein Mensch in bösem Willen das will, was Gott in gutem Willen will, zum Beispiel wenn ein böser Sohn will, daß sein Vater sterbe, Gott aber dasselbe will. So will also jener, was Gott nicht will, dieser aber, was Gott will! Und dennoch stimmt die fromme Gesinnung des einen mehr zum Willen Gottes, obwohl sie also etwas anderes will – als die Unfrömmigkeit des anderen, obwohl sie dasselbe will wie Gott! So wichtig ist es, darauf zu achten, was der Mensch nach Gebühr wollen soll, und was anderseits Gottes gerechter Wille ist, auch was für ein Zweck über dem Willen jedes Menschen steht, nach welchem er anerkannt oder verworfen wird. Denn Gott, der da recht will, erfüllt seinen Willen durch den bösen Willen böser Men­schen“ (Handbüchlein an Laurentius, 101). Kurz vorher führt er aus: die abgefallenen Engel und alle Verworfenen haben, was sie selbst betrifft, in ihrem Abfall ge­tan, was Gott nicht wollte; aber der Allmacht Gottes gegenüber haben sie das gar nicht fertiggebracht; denn indem sie gegen Gottes Willen handeln, vollzieht sich an ihnen eben Gottes Wille! Und deshalb ruft er aus: „Groß sind die Werke Gottes, auserlesen in allem seinem Wollen (Ps. 111,2; Luthertext anders)! Denn es geschieht eben auf wundersame und unaussprechliche Weise nicht ohne seinen Willen, was doch gegen seinen Willen geschieht! Es würde ja gar nicht geschehen, wenn er es nicht erlaubte, auch erlaubt er es ja nicht ohne seinen Willen, sondern mit ihm, und anderseits würde er, der Gute, gar nichts Böses geschehen lassen, wenn er, der Allmächtige, nicht wiederum bei dem Bösen es wohl machen könnte!“ (Handbüchlein, 100).

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Zusammenfassung

  1. verschiedene biblische Ausdrücke zeigen, dass „was wir uns auch innerlich vornehmen, alles wird durch Gottes geheime Leitung zu dem von ihm gesetzten Ziel geführt“; nicht nur durch göttliche Erlaubnis, jedoch durch die aktive Tätigkeit des Geistes
  2. dies kann ganz besonders an der „Verstockung Pharaos Herzens“ gesehen werden
    1. es wäre absurd zu sagen, dass Pharao sich selbst verstockte
    2. eher ist Gottes Wille die Ursache: der Mensch, obwohl er von Gott geleitet wird, handelt doch selbst
  3. oft handelt der HERR bei Gottlosen durch Satans Eingreifen, jedoch immer auf Gelass Gottes, seiner Führung und Einschränkung
  4. diese Thema wird weiter behandelt unter dem „Freien Willen“ im Buch II

Text

Was nun die geheimen Regungen betrifft, die Gott im Menschen her­vorruft, so gilt das, was Salomo vom Herzen des Königs sagt, sicher für jeden Menschen: Gott neigt es, wohin er will (Spr. 21,1). Und das bedeutet soviel, als hätte er gesagt: was wir uns auch innerlich vornehmen, alles wird durch Gottes geheime Leitung zu dem von ihm gesetzten Ziel geführt. Wahrlich, wenn er nicht im Herzen der Menschen wirksam wäre, so wäre es falsch geredet, er verschließe den Wahrhaftigen den Mund, er nähme den Alten ihre Klugheit (Hes. 7,26), er nähme den Fürsten der Erde den Verstand, daß sie auf Abwegen daherirrten! (Ps. 107,40). Dahin gehört es auch, wenn wir so häufig lesen, die Menschen würden furchtsam, wenn sein Schrecken ihr Herz ergriffe (Lev. 26,36). So konnte David aus dem La­ger Sauls unbemerkt entkommen, weil ein Schlaf vom Herrn auf alle Feinde ge­fallen war (1. Sam. 26,12). Klareres können wir aber gar nicht verlangen, als daß er so oft kundtut, er verblende des Menschen Geist (Jes. 29,14), er schlage ihn mit Wahn, er mache ihn trunken mit einem Geist des Schlafs (Jes. 29,10), gebe ihn in Torheit dahin (Röm. 1,28) und verhärte die Herzen (Ex. 4,21 und öfters). Auch das beziehen viele auf die „Zulassung“: Gott gebe die Verworfenen auf und ließe es zu, daß sie vom Satan verblendet würden. Aber der Geist drückt es doch deutlich so aus, nach Gottes gerechtem Urteil verfielen sie in Blindheit und Torheit (Röm. 1,20ff); jene Erklärung ist also durchaus verkehrt. Es heißt auch, er habe das Herz des Pharao verhärtet oder verstockt oder (in seiner Bosheit) versteift (Ex. 8,15). Einige suchen nun diesen Redeformen durch abgeschmackte Verdrehung einen anderen Sinn zu geben; sie berufen sich auf eine andere Stelle, wo von dem Pharao selbst gesagt wird, er habe sein Herz verstockt, und also sein eigener Wille als Ur­sache der Verhärtung angesehen wird (Ex. 8,11). Und dabei stimmen diese beiden Behauptungen tadellos zusammen, weil, freilich auf verschiedene Weise, der Mensch, wenn er von Gott getrieben wird, doch zugleich selbst handelt! Ich richte das, was sie einwenden, gegen sie selbst: denn wenn „verstocken“ (allgemein) eine bloße Zulassung“ bedeutet, so ist auch der Trieb zur Widerspenstigkeit nicht eigentlich in dem Pharao zu suchen! Wie töricht und unsinnig wäre es aber, die Sache so auszu­legen, als ob der Pharao es bloß zugelassen hätte, verhärtet zu werden! Außerdem nimmt die Schrift derartigen Sophistereien jede Handhabe: „Ich will sein Herz verstocken“, spricht Gott! (Ex. 4,21). So sagt auch Mose von den Ein­wohnern des Landes Kanaan, sie seien in den Kampf gezogen, weil Gott ihr Herz verhärtet hätte! (Jos. 11,20). Auch ein anderer Prophet wiederholt es: „Er ver­kehrte ihr Herz, daß sie seinem Volke gram wurden“ (Ps. 105,25). Ebenso droht Gott bei Jesaja, er werde über das treulose Volk die Assyrer senden und ihnen auf­tragen, den Raub davonzutragen und die Beute auszuteilen (Jes. 10,6). Das be­deutet nicht, daß er etwa gottlose und halsstarrige Menschen lehren wollte, aus freien Stücken Gehorsam zu leisten; sondern es will sagen, daß er sie zwingen will, seine Urteile zu vollstrecken, gleich als wenn ihnen seine Befehle ins Herz gemeißelt wären! Daraus wird deutlich: sie wurden durch klare Bestimmung Gottes getrieben! Freilich handelt Gott in den Gottlosen oft derart, daß der Satan als Werkzeug mitwirken muß; aber doch so, daß dieser auf Gottes Antrieb hin das Seine tut und nur so weit kommt, wie es ihm gegeben ist! Ein böser Geist verwirrt den Saul; aber es heißt, daß er „von Gott“ gewesen sei (1. Sam. 16,14), damit wir wissen, die Raserei Sauls gehe aus Gottes gerechter Vergeltung hervor. Es heißt weiter, daß der Satan der Ungläubigen Sinn verblende (2. Kor. 4,4). Woher sollte das aber anders kommen, als daß von Gott selbst die Kraft des Irrtums herfließt, so daß die, welche sich weigern, der Wahrheit zu gehorchen, nun Lügen glauben? Im ersten Sinn (vgl. Zeile 29) heißt es: „Wenn ein Prophet etwas fälschlich redet, so habe ich, Gott, ihn getäuscht“ (Ez. 14,9; nicht Luthertext). Und im zweiten Sinne (vgl. Zeile 30) hören wir, er selbst gebe die Menschen dahin in ihren verkehrten Sinn und lasse sie dahingehen in ihren bösen Begierden (Röm. 1,28); denn er ist ja der eigentliche Urheber seiner gerechten Vergeltung, der Satan ist nur Diener! Aber wir müssen, wenn im zweiten Buche vom freien oder unfreien Willen des Men­schen die Rede ist, auf diese Dinge zurückkommen, und ich glaube, hier in Kürze so­viel auseinandergesetzt zu haben, wie das vorliegende Lehrstück (locus) erforderte. Die Hauptsache muß sein: heißt Gottes Wille die Ursache aller Dinge, so muß auch notwendig seine Vorsehung in allen Plänen und Taten der Menschen die Führung innehaben, so daß sie nicht nur in den Gläubigen ihre Kraft erweist, die vom Heili­gen Geist regiert werden, sondern auch die Gottlosen in ihren Gehorsam zwingt.

15
Feb

Keine blosse „Zulassung“ (Institutio 1-18-01)

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Zusammenfassung

  1. die falsche Unterscheidung zwischen „Tun“ und „Erlauben“
    1. erdacht durch den „fleischlichen“ Verstand des Menschen, um Gott vor der Anklage der Übeltat und der scheinbaren Absurdität der Bestrafung von der gottgewollte Blindheit zu „bewahren“
    2. dennoch würde die vorgeschlagene Unterscheidung nahelegen, dass es Bereiche des Existierenden gibt, über die Gott keine Kenntnis oder Kontrolle hat, oder dass er wenigstens in eine von ihm nicht geleitete Richtung einwilligt
    3. im Gegenteil, alle gottlosen Leute sind derartig unter Gottes Herrschaft, dass er ihre bösen Absichten für jeden von ihm gewollte und heiligen Zweck gebraucht und dass ihre bösen Taten seine Urteilsvollstreckung ist – dies ohne irgendwelche Bösartigkeit oder Schuld von ihm
  2. Beispiel aus der Bibel
    1. Hiob erkannte, dass nicht Satan, sondern Gott der Urheber seiner schwere Prüfung war: Menschen oder der Teufel mögen etwas anstiften, aber Gott durch seine Herrschaft kann dies gebrauchen, um sein Urteil zu vollstrecken
    2. die Erblindung und der Verwirrung Ahabs (1. Könige 22:20,22)
    3. die Apostel verstanden, dass Pilatus und die Juden nur das ausführten, was Gott beschlossen hatte (Apg. 4:28, vgl. 2:23 etc.)
    4. Absaloms Blutschande war Gottes eigenes Werk (2. Sam. 16:22; 12:12)
    5. die Brutalität der Chaldäern gegen Juda war Gottes Wille wie Jeremias es bezeugt (Jer. 1:15; 7:14; 50:25, etc)
    6. Gottes „Erzürnen“, die „Rute seines Zorn“ und ähnliche Ausdrücke bestätigen alle das gleiche: daher sitzt Gott nicht müssig im Himmel und wartet, dass sich etwas auf der Erde tut, als ob seine Urteile vom menschlichen Willen abhängen würden (Epikureismus)

Text

lang="de-CH">Nach anderen Stellen lenkt und zieht Gott selbst den Satan und alle Gottlosen nach seinem Gutdünken, wohin er will. Hier entsteht nun aber eine noch schwierigere Frage. Wie soll sich Gott, wenn er doch durch diese handelt, keinerlei Beschmutzung durch ihre Vergehen zuziehen, wie soll er bei gemeinsamem Werk selbst von aller Schuld frei sein und doch die, die er als Knechte benutzt, mit Recht verdammen kön­nen? Das versteht der Sinn des Fleisches nicht. So ist es denn zu der Unterscheidung zwischen „Tun“ und „Zulassung“ (Gottes) gekommen: es scheint eben vielen Leuten ein unlösbarer Knoten zu sein, wenn es heißt, der Satan und alle Gottlosen seien derart in Gottes Hand, daß er ihre Bosheit lenke zu dem ihm genehmen Ziel, und daß er ihre Verbrechen benutze, um seine Gerichte zu vollziehen! Die Bedenklichkeit solcher Leute wäre auch durchaus verzeihlich, wenn sie bloß der Anschein des Wider­sinnigen in Schrecken setzte; nur dürften sie eben nicht verkehrterweise versuchen, Gottes Gerechtigkeit vor dem Vorwurf durch eine Unwahrheit zu rechtferti­gen! Es scheint ihnen widersinnig, daß ein Mensch durch Gottes Willen und Befehl verblendet wird und dann doch die Strafe für seine Verblendung tragen soll. Also suchen sie sich durch die Ausflucht zu helfen, das geschehe bloß durch Gottes Zu­lassung, nicht aber auch durch seinen Willen! Aber Gott selber macht diese Ausflucht zunichte, wenn er deutlich sagt, er handle! Daß aber der Mensch ohne Gottes geheimen Befehl nichts ausrichten, noch etwas durch Überlegung zuwege bringen kann, ohne daß Gott es schon bei sich beschlossen hätte und es in seiner ver­borgenen Leitung herbeiführte, das wird durch unzählige klare Schriftzeugnisse be­legt, was wir oben aus dem Psalm anführten: „Gott kann machen, was er will“ (Ps. 115,3), das bezieht sich gewisslich auf alle Taten der Menschen. Ist Gott wirk­lich, wie es heißt, der untrügliche Lenker von Krieg und Frieden (Jes. 45,7), und zwar ohne jede Ausnahme, wie kann dann einer zu behaupten wagen, den Menschen leite sinnlos ein blinder Trieb, ohne Gottes Wissen und Zutun?

Aber besondere Beispiele werden das noch besser beleuchten, wir wissen, wie im ersten Kapitel des Hiobbuches der Satan sich vor Gott einstellt, um Befehle ent­gegenzunehmen, genau wie die Engel, die doch von sich aus gehorchen. Er tut das zwar in ganz anderer Art und zu ganz anderem Zweck, aber doch so, daß er nichts unternehmen kann ohne Gottes Willen. Nun scheint ja daraufhin eine bloße Zulassung zu erfolgen, nämlich daß er den heiligen Mann (Hiob) angreife. Aber doch ist dessen Ausspruch wahr: „Der Herr hat’s gegeben, der Herr hat’s genom­men, wie es dem Herrn gefiel, so ist es geschehen“ (Hiob 1,21). Und deshalb müssen wir schließen, daß diese Versuchung, als deren Diener der Satan und ver­ruchte Räuber wirksam waren, tatsächlich Gott zum Urheber hatte. Da versucht der Satan den heiligen Mann durch Verzweiflung in Wut zu bringen, da kommen die Sabäer herbei, um grausam und gottlos fremdes Gut zu rauben. Aber Hiob erkennt an, daß er von Gott all seines Besitzes beraubt worden ist, daß er zum armen Mann geworden ist, weil es Gott so gefiel! Was also auch Menschen oder gar der Satan selbst unternehmen – Gott hat das Ruder in der Hand, um ihre Unterneh­mungen zum Vollzug seiner Gerichte zu lenken. Da will Gott, daß der treu­lose König Ahab in die Irre geführt werde – der Teufel erbietet dazu seinen Dienst, und er wird mit dem klaren Auftrag losgeschickt, er solle ein Geist der Lüge im Munde aller Propheten sein! (1. Kön. 22,20.22). Die Verblendung des Ahab ist Gottes Gericht – und so zergeht jeder Versuch, hier von „bloßer Zulassung“ zu träumen. Denn es wäre ja lächerlich, wenn der Richter bloß „zuließe“ und nicht tatsächlich anordnete, was er geschehen lassen will, und seinen Dienern den Auftrag zum Vollzug gäbe! Die Juden hatten die Absicht, Christum zu töten, und Pilatus und seine Kriegsknechte willfahrten ihrer rasenden Mordlust – und trotzdem bekennen die Jünger in feierlichem Gebet, alle Gottlosen hätten nichts getan, als was Gottes Hand und Rat beschlossen hätte! (Apg. 4,28). So hatte Petrus ja schon vorher in einer Predigt gesagt, Jesus sei aus bedachtem Rat und Vorsehung Gottes dahingegeben worden, daß er getötet werde (Apg. 2,23), als wollte er sagen: Gott, dem von Anfang her nichts verborgen war, hat mit Wissen und Willen festgesetzt, was die Juden vollführt haben. So wiederholt er es an anderer Stelle: „Gott, was er durch den Mund aller seiner Propheten zuvor verkündigt hat, wie Christus leiden sollte, hat’s also erfüllt“ (Apg. 3,18). Absalom verunreinigte in ehebrecherischem Umgang das Bett seines Vaters und vollführte damit ein abscheu­liches Verbrechen (2. Sam. 16,22). Gott aber verkündigt, das sei sein Werk: „Du hast es insgeheim getan, ich werde es öffentlich tun, vor der Sonne!“ (2. Sam. 12,12). Und Jeremia spricht es aus, daß alles, was die Chaldäer an Grausamkeiten in Judäa begehen, Gottes Werk sei (Jer. 50,25; 1,15 und oft). Aus diesem Grunde wird ja Nebukadnezar Gottes Knecht geheißen! (Jer. 25,9; 27,6). Mehrfach ruft Gott es aus, sein Wink (Jes. 7,18), seiner Posaune Klang (Hos. 8,1), sein Befehl und Auftrag (Zeph. 2,1) rufe die Gottlosen zum Kriege auf! Den Assyrer nennt er die Rute seines Zorns (Jes. 10,5) und ein Beil, das er mit seiner Hand schwingt! Die Zerstörung der heiligen Stadt und die Verwüstung des Tempels heißt er sein Werk (Jes. 28,21). David will nicht gegen Gott murren, wenn er ausspricht, die Flüche des Simei kämen aus seinem Geheiß: „Der Herr hat ihn geheißen, daß er fluche“ (2. Sam. 16,10). Nein, er erkennt Gott damit als den gerechten Richter an! Öfters wird es in der heiligen Geschichte wiederholt, es komme von dem Herrn, was auch geschehe, so z.B. der Abfall der zehn Stämme (1. Kön. 11,31), der Untergang der Söhne des Eli (1. Sam. 2,34) und vieles dieser Art. Wer einigermaßen in der Schrift zu Hause ist, der sieht, daß ich nur wenige Zeugnisse von vielen anführe, um mich der Kürze zu befleißigen. Aber aus diesen wird bereits mehr als genug deutlich: wer an die Stelle der Vorsehung Gottes die bloße Zu­lassung setzt, der schwatzt und redet unnützes Zeug! Als ob Gott in ruhiger Betrach­tung dasäße und die zufälligen Ereignisse abwartete! Als ob so seine Gerichte vom Wohlgefallen des Menschen abhingen!

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Zusammenfassung

  1. die Beispiele von Jona in Ninive und von König Hiskia veranschaulichen nicht Veränderungen in Gottes Plan, sondern Gottes Drohungen, auf dass die Menschen umkehren und somit seinen Willen folgen und seinen Beschlüsse ausführen.
  2. dies kann auch am Beispiel des Abrahams und des Königs Abimelech gesehen werden

Text

Wenn nun die heilige Erzählung (sacra historia) berichtet, wie den Niniviten der bereits verkündete Untergang erlassen (Jona 3,10) und dem Hiskia sein Leben trotz erfolgter Ankündigung des Todes noch einmal verlängert worden sei (Jes. 38,5), so behauptet sie damit nicht, Gottes Beschlüsse seien aufgehoben worden. Wer das meint, der macht sich Wahnvorstellungen von diesen Drohungen; diese scheinen zwar einfach eine Behauptung zu enthalten, aber der Ausgang zeigt, daß sie trotzdem eine stillschweigende Bedingung in sich tragen. Denn weshalb sandte der Herr den Jona zu den Einwohnern von Ninive, damit er ihnen die Zerstörung der Stadt ankündigte? Weshalb ließ er dem Hiskia durch Jesaja seinen Tod ansagen? Er konnte doch jene und auch diesen zugrunde richten, ohne das Unheil anzukündigen! Er hatte also etwas anderes im Auge, als daß diese Menschen von ihrem Tod zuvor wüssten und ihn dann von ferne kommen sahen. Er wollte eben, daß sie nicht zugrunde gingen, sondern sich besserten, um dem Untergang zu entrinnen! Wenn also Jona weissagt, die Stadt Ninive werde nach vierzig Tagen zerstört werden, so geschieht das, damit sie nicht untergehe! Wenn dem Hiskia die Hoffnung auf ein weiteres Leben abgeschnitten wird, so geschieht das, damit er ein weiteres Leben erlange! Wer sieht denn nicht, daß der Herr durch solche Drohungen die Menschen, die er schreckte, zur Reue erwecken wollte, damit sie dem Gericht entgingen, das sie mit ihren Sünden verdient hatten! Wenn es sich so verhält, dann führt uns die Sache selbst dazu, aus der einfachen Ankündigung eine stillschwei­gende Bedingung herauszuhören. Das wird denn auch durch ähnliche Beispiele be­stätigt. So wirft der Herr dem Könige Abimelech vor, er habe dem Abraham sein Weib genommen, und braucht dabei die Worte: „Du bist des Todes um des Weibes willen, das du genommen hast; denn sie ist eines Mannes Eheweib“ (Gen. 20,3). Nachdem er sich nun aber entschuldigt hat, sagt Gott zu ihm: „Gib dem Manne sein Weib wieder; denn er ist ein Prophet, und lass ihn für dich bitten, so wirst du leben­dig bleiben, wo du sie aber nicht wiedergibst, so wisse, daß du des Todes sterben mußt und alles, was dein ist“ (Gen. 20,7). Da sieht man, wie er in dem ersten Worte sein Herz heftig erschüttert, um ihn zur Genugtuung bereit zu machen, aber dann in dem zweiten seinen Willen klar ausspricht! Mit anderen Stellen verhält es sich ebenso, und deshalb darf man nun nicht meinen, es sei dem früheren Ratschlüsse des Herrn etwas entzogen, da er nicht durchführte, was er angekündigt hatte. Nein, der Herr bahnt vielmehr seiner ewigen Anordnung den Weg, wenn er durch An­drohung von Strafe Menschen zur Reue antreibt, die er verschonen will, und zwar, ohne daß er an seinem Willen oder auch nur an seinem Worte etwas änderte, nur daß er nicht gerade buchstäblich ausdrückt, was doch ganz klar zu begreifen ist. So muß denn doch das Wort des Jesaja wahr bleiben: „Der Herr der Heerscharen hat es beschlossen, und wer will es wehren? Seine Hand ist ausgestreckt, und wer will sie wenden?“ (Jes. 14,27).

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Zusammenfassung

  1. auf Grund unserer Begrenztheit und Schwachheit unseres Verstandes können wir nicht begreifen, was Gott an sich ist
  2. daher offenbart Gott sich uns nicht wie er an sich ist, sondern wie er uns sich zu offenbaren geben will
  3. Gefühle, Umkehr und ähnliche menschliche Eigenschaften, die Reue erfordern, sollte Gott nicht angedichtet werden, der doch über allem steht; jedoch dem Mensch, der mit sich nicht zufrieden ist.
  4. daher bleibt Gottes Plan in alle Ewigkeit unveränderlich.

Text

Was bedeutet nun also der Ausdruck „Reue“? Sicherlich nichts anderes als all die anderen Redeformen, die uns Gott nach Menschenweise beschreiben. Weil nämlich unsere Schwachheit nicht zu seiner Höhe empordringt, so muß die Beschreibung sei­nes Wesens, die uns zuteil wird, unserer Fassungskraft angepasst sein, um von uns begriffen zu werden. Das geschieht aber so, daß er sich uns darstellt, nicht wie er an sich selber ist, sondern wie er von uns erfahren wird. So ist er frei von aller inne­ren Erschütterung durch Leidenschaft – und bezeugt doch, daß er den Sündern zürnt! Wenn wir also hören, daß Gott zürnt, so müssen wir uns dabei nicht eine Erregung in ihm selber vorstellen; wir müssen vielmehr bedenken, daß diese Redeweise aus un­serer Erfahrung genommen ist, weil uns ja Gott dem Anschein nach als Entrüsteter und Zorniger begegnet, sooft er sein Gericht vollzieht. So dürfen wir auch unter dem Wort „Reue“ nichts anderes verstehen als eine Abänderung seiner Werke und Taten; denn die Menschen bezeugen ja, indem sie ihre Taten abändern, daß sie ihnen missfallen. Jede Abänderung ist unter Menschen die Verbesserung einer Sache, die Missfallen erregt; diese Verbesserung aber kommt aus Reue; und so will der Ausdruck „Reue“ besagen: Gott ändert etwas an seinen Werken! Unterdessen aber wird weder sein Ratschluss noch sein Wille verändert, noch seine Neigung (affectus) verwandelt; sondern was er von Ewigkeit her vorgesehen, für richtig befunden und beschlossen hat, das führt er in stetem Gleichmaße durch, so jähen Wechsel der Mensch auch vor Augen haben mag!