Brief an D'Enzinas zu Genf im Dezember 1552

Nachdem jener Mönch verurteilt worden war, den de Falais gegen mich entsandt hatte, trat plötzlich, gestützt auf eine heimliche Verschwörung, ein Winkeladvokat auf, der privatim über Tisch, aber auch in Wirtshäusern behauptete, ich mache Gott zum Urheber der Sünde, und meine ganze Amtsführung schändlich verleumdete. Als ich sah, dass diese verderblichen Äußerungen, mit denen die Gegner offenbar das Reich Christi in dieser Stadt umstürzen wollten, überall Boden fanden, mahnte ich das Volk eindringlich, sich vor ihnen zu hüten. Auch bedeutete ich dem Rat, wie gefährlich ein Nachgeben in solchen Streitigkeiten sei. Die aber, die jenen Mann hielten, um mich zu quälen, zogen mit ihren diplomatischen Künsten die Sache so in die Länge, dass ich drei Monate lang im ungewissen war. Denn unter den Richtern waren einige Schutzherren der Gegenpartei. Übrigens war mir unter den vielfachen Anwürfen, denen ich ausgesetzt war, der der bitterste, der mich zu Philippus in einen mir höchst unerwünschten Gegensatz bringen wollte. Doch gelang es mir, dem aus dem Wege zu gehen, indem ich von dem großen Mann nie anders als mit Ehrerbietung sprach. Als die Partei sah, dass sie unterlegen war, fachte sie plötzlich einen noch größeren Brand an, um den ersten zu löschen. Drei verkommene Taugenichtse aus den vornehmsten Familien führten einen gehässigen Angriff gegen unseren Bruder Raymond und gingen so weit, dass sie eines Tages sogar das geistliche Gericht störten. Wir beschlossen einstimmig, Klage beim Senat einzureichen. Als sie durch die Ältesten verurteilt waren, brachte einer , um mein Gewissen auf die Probe zu stellen oder auch einfach aus Leichtsinn, [als Pate] ein Kind zur Taufe. Ich weigerte mich ihn als Paten anzunehmen. Sofort fingen alle an zu schreien, und es entstand ein richtiger Aufruhr. Ich hielt mich in dem schrecklichen Lärm und Geschrei trotz aller Schimpfworte und Drohungen so zurück, dass mir kein Wort entfiel, was die Aufregung der Geister noch hätte steigern können. Wenn du wüsstest, wie die Dinge bei uns stehen, du müsstest es als ein Wunder Gottes ansprechen, dass nicht schon hundertmal die Schwerter aus der Scheide geflogen sind, besonders wo die, die die größte Macht hatten, so oft und so schmählich gereizt worden sind. Jener erste, der mich so grausam geplagt und meine Lehre und meine Amtsführung so frech verleumdet hatte , entkam ungestraft, obwohl es in meiner Hand gelegen hätte, ihn gänzlich zu vernichten. Ich habe es mir genügen lassen, dass der Senat, ohne die Person des Mannes anzutasten, seine Sache verurteilte. Andere möchten sich gerne mit uns wieder vertragen; aber es ist hundertmal besser zu sterben als von rechten Wege abzuweichen. – Farel und Viret waren zehn volle Tage hier. Sie werden sicherlich meiner Geduld ein glänzendes Zeugnis ausstellen. Denn sie haben gesehen, wie viel Trauriges, wenn es nur meine Person angeht, ich mit Stillschweigen übergehe, was für Beleidigungen ich herunterschlucke, wie viele Sünden ich verzeihe. Aber bei manchen Dingen würde ich, wenn ich nachgeben wollte, treulos Christus und die mir anvertraute Gemeinde verraten. Darum erschrick in Zukunft nicht, wenn Du hörst, dass ich im Kampf stehe. Und ich bitte dich um eins: halte mich nicht für ehrgeizig und glaube nicht, dass ich aus Vergnügen Feindschaft und Streit suche. Ich könnte mir nichts Schöneres wünschen als Muße und wissenschaftliche Arbeit, wenn mir nur dedr Urlaub gäbe, unter dessen Fahne ich diene.