Archive for the ‘Buch 1 Kapitel 03’ Category

Play

Zusammenfassung:

  1. es gibt ein unauslöschliches Gefühl des Göttlichen, dass in den Geist der Menschen eingraviert wurde
    1. selbst die Perversität der Gottlosen beweist es
    2. das Bewusstsein der Existenz Gottes ist uns von Geburt her gegeben und es handelt sich nicht um ein erlernten Glaubenssatz
  2. der Gottesdienst und das Streben, Gott ähnlich zu werden, ist das einzige, was den Menschen von den Tieren unterscheidet.

Text:

Es werden also alle, die recht urteilen, stets darin einig sein: es ist wirklich im Herzen des Menschen ein Empfinden für die Gottheit gleichsam eingemeißelt, das unzerstörbar ist. Ja gerade der hartnäckige Widerspruch der Gottlosen, die sich trotz ihres heftigen Widerstrebens der Furcht Gottes nicht entwinden können, ist ein Be­weis dafür, daß jene Überzeugung vom Dasein eines Gottes allen Menschen ange­boren und geradezu in ihrem Innersten fest verwurzelt ist. Mögen nun Diagoras und seinesgleichen ihren Spott über alles ausgießen, was alle Jahrhunderte geglaubt haben, mag Dionysius das himmlische Gericht lästern — es ist doch nur das bittere Lachen der Verzweiflung; denn in ihnen nagt der Wurm des Gewissens, beißender als alle Brandmale. Ich sage nicht mit Cicero (De natura deorum, II,2,5), die Irr­tümer würden mit der Zeit verschwinden, die Religion aber je mehr und mehr zu­nehmen und vollkommener werden. Denn die Welt versucht, wie wir noch weiter unten sehen werden, alles Wissen um Gott nach Kräften auszulöschen und die Ver­ehrung Gottes auf allerlei Weise zu verderben. Aber das behaupte ich doch: mag auch die törichte Verhärtung, wie sie die Gottlosen zur Verachtung Gottes so gerne in sich aufkommen lassen, in ihrem Herzen noch so sehr ihr zersetzendes Dasein füh­ren, so ist doch jenes Empfinden um die Gottheit, das sie so gerne ganz ausgelöscht hätten, auch in ihnen noch bei Kräften und bricht neu hervor. Daraus wird ganz deutlich: es handelt sich hier nicht um eine Lehre, die man erst in der Schule lernen müßte; sondern jeder ist hierin von Geburt an sein eigener Lehrmeister, und die Natur selbst verhindert das Vergessen, so sehr auch viele Menschen alle Kräfte an­spannen, um von dieser Lehre loszukommen.

Aber, weiter: wir sind doch alle dazu geboren und leben, um Gott zu erkennen. Wenn das Wissen um Gott (Dei notitia) nicht soweit dringt, so ist es eitel und flüchtig. Deshalb sind offenbar alle Menschen aus dem Gesetz ihrer Schöpfung heraus­gefallen, die nicht auf dieses Ziel all ihre Gedanken und all ihr Tun ausrichten. Das war auch den Philosophen wohlbekannt. Denn das eben wollte Platon (Phaedon 107 C, Theaetet 176 B) mit seiner wiederholten Äußerung sagen, das höchste Gut der Seele sei die Ähnlichkeit mit Gott; sei sie seiner Erkenntnis teilhaftig geworden, so werde sie ihm ganz gleichförmig. Durchaus scharfsinnig urteilt auch Gryllus bei Plutarch, der behauptet, der Mensch ohne alle Religion sei nicht nur ohne jeden Vorzug gegenüber den unvernünftigen Tieren, sondern stehe in mancherlei Beziehung gar noch tiefer als sie, da er, so vielerlei Unglück unterworfen, stets in Unruhe und Rastlosigkeit dahinleben müsse. Denn nur der Dienst Gottes gebe dem Menschen seinen Vorrang, er allein führe ihn zur Unsterblichkeit.

Play

Zusammenfassung:

  1. Einige behaupten, dass Religion willkürlich durch spitzfindige gottlose Menschen erfunden wurden, womit man nur die Leichtgläubige unterjochen wollten
  2. Jedoch wäre dies nicht möglich, wenn
    1. es nicht schon ein natürliches Bewusstsein der Gottheit in den Köpfen der einfachen Leute vorhanden ist
    2. die listigen Mensch selbst keine Ahnung der Religion haben
  3. Nachweise der Religion gibt es selbst bei den gotttlosesten Menschen
    1. Menschen wenden sich zur Religion wenn sie unter Stress oder grosser Angst sind (z.B. Gaius Caligula)
    2. wie Alkoholsüchtige oder Wahnsinnige sind sie unruhig in ihren Schlaf
    3. während die Intensität des Gottesbewusstsein variiert, so ist sie nie vollständig abwesend

Text:

Darum ist es das denkbar hohlste Gerede, einige wenige Menschen hätten in Arg­list und Spitzfindigkeit die Religion erdacht, um das einfältige Volk in Zucht zu halten, während sie doch zwar andere zur Gottesverehrung gebracht, aber selbst nicht von ferne daran gedacht hätten, an das Dasein eines Gottes zu glauben. Nun gebe ich zwar zu, daß verschlagene Menschen sehr viel Religiöses ersonnen haben, um das unwissende Volk in Furcht und Schrecken zu jagen und es dadurch gefügiger zu machen. Aber das hätten sie gar nicht fertiggebracht, wenn nicht zuvor die Menschen­herzen von jener Überzeugung vom Dasein Gottes ergriffen gewesen wären, aus der wie aus einem Keim der Hang zur Religion hervorkommt. Es kommt mir aber auch nicht glaubhaft vor, daß diese Betrüger, die unter der Maske der Religion das Volk hinterlistig anführten, wirklich gar keine Kenntnis von Gott gehabt hät­ten. Gewiß hat es früher einige Menschen gegeben, die Gottes Dasein leugneten; und heute treten wieder nicht wenige auf, die das tun. Aber ob sie wollen oder nicht: was sie so gerne nicht wissen möchten, das drängt sich ihnen doch auf! Es hat wohl nie ein Mensch die Verachtung der Gottheit verwegener und gehässiger getrieben als Cajus Caligula. Aber keiner geriet auch jämmerlicher ans Zittern, wenn irgendein Anzeichen göttlichen Zorns auftrat. So hatte er gegen seinen Willen Angst vor dem Gott, den er doch mit entschlossenem Vorsatz verachten wollte! So geschieht es allen seinesgleichen: mag einer noch so ein verwegener Verächter Gottes sein — um so mehr schreckt ihn das Rascheln eines niederfallenden Blattes! Was ist das anders als Vergeltungstat göttlicher Majestät, die das Gewissen solcher Menschen um so heftiger erschüttert, je mehr sie ihr zu entgehen suchen? Nach allen Schlupfwinkeln sehen sie sich um, nur um der Gegenwart des Herrn zu entfliehen und sie aus ihrem Herzen zu tilgen. Aber mögen sie wollen oder nicht: sie bleiben stets wie in einem Netz verstrickt. Mag auch das Wissen um Gott eine Zeitlang verschwunden scheinen — bald bricht es doch wieder auf und überfallt sie mit neuer Wucht! Kommt es einmal zu einem Schweigen der Gewissensangst, so ähnelt doch dieser Zustand dem Schlaf von Trunkenen oder Geistesgestörten, die nicht einmal im Schlafe Frieden finden können, weil sie immerzu von grausigen und schreckhaften Träumen gequält werden. So sind auch die Gottlosen ein Beispiel und Zeugnis dafür, daß stets im Herzen der Menschen etwas wie ein Wissen um Gott (aliqua Dei notio) kräftig ist.

Play

Zusammenfassung:

  1. Die Gotteserkenntnis ist allgemeingültig
    1. ist in allen Menschen durch den natürlichen Instinkt gegeben
    2. macht das Verfehlen der Gottesverehrung unentschuldbar
    3. findet sich selbst bei den barbarischsten Völkern
    4. gab es bei allen Menschen aller Zeitepochen
  2. Götzendienst ist ein Beweis der Allgemeingültigkeit
    1. Kein Mensch erniedrigt sich freiwillig vor etwas
    2. Die Verehrung von Statuen aus Holz und Stein ist daher Beweis des intensiven und unauslöschlichen Eindruckes des Göttlichen

Text:

Daß der menschliche Geist durch natürliches Ahnvermögen eine Art Empfindung für die Gottheit besitzt, steht für uns außer allem Streit. Denn Gott selbst hat allen Menschen eine Kenntnis seiner Gottheit zu eigen gemacht, damit ja niemand den Vorwand der Unwissenheit als Entschuldigung anführe. Diese Kenntnis frischt er stets auf und benetzt sie mit neuen Tröpflein. Und wenn die Menschen doch alle miteinander darum wissen, daß ein Gott sei und daß er ihr Schöpfer ist, so sollen sie sich durch ihr eigenes Zeugnis verdammen, weil sie ihm keinen Dienst erweisen und seinem Willen ihr Leben nicht zum Opfer darbringen. Sollte irgendwo solches Wissen um Gott nicht vorhanden sein, so könnte das am ehesten noch unter den wildesten Völkern vor­kommen, die von der menschlichen Gesittung am weitesten entfernt sind. Aber, wie schon ein heidnischer Denker sagt: kein Volk ist so barbarisch, kein Stamm so ver­wildert, daß nicht die Überzeugung fest eingewurzelt wäre: es ist ein Gott. (Cicero, De natura Deorum, I,16,43). Völker, die sich in ihrem sonstigen Lebensstande kaum von den Tieren abzuheben scheinen, behalten doch stets wenigstens eine Art Keim der Religion (semen religionis). So sehr hat jene gemeinsame Ahnung alle Herzen durch­drungen, so fest wurzelt sie in allen Gemütern. Da also feit Anbeginn der Welt kein Gebiet, keine Stadt, ja nicht ein Haus war, das der Religion entbehren konnte, so liegt in dieser Tatsache ein stillschweigendes Eingeständnis, daß in alle Herzen ein Empfinden um die Gottheit eingeschrieben ist.

Selbst der Götzendienst ist ein vielsagender Beweis für die damit empfangene Anlage (conceptio). Wir wissen nämlich, wie ungern sich der Mensch erniedrigt und andere Geschöpfe über sich stellt. Wenn er nun aber lieber ein Stück Holz oder einen Stein anbetet, als den Anschein zu erwecken, er habe keinen Gott, so ist offenbar der Eindruck vom Dasein der Gottheit von derartiger Wucht, daß es leichter ist, den natürlichen Trieb zu brechen, als diesen Eindruck aus der Seele zu reißen. Es kommt ja tatsächlich vor, daß der natürliche Trieb zerbricht, nämlich wenn ein Mensch sich von seinem angeborenen Hochmut freiwillig unter widerwärtigste Dinge erniedrigt, nur um einen Gott zu verehren.