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Zusammenfassung

  1. zwei Irrtümer
    1. nicht blosses Vorwissen, sondern aktive Kontrolle über Geschehnisse
    2. nicht allgemeine, undeutliche Kontrolle von einzelnen Geschöpfen (irrtümliche Unterscheidung zwischen Gottes Willen und seinem Ratschluss)
  2. „allgemeine“ und „besondere“ Vorsehung
    1. die Lehre der allgemeinen Vorsehung wird verstanden in dem Sinne, dass Gott nicht nur über jeden seiner Geschöpfe wacht, sondern auch eine besondere Fürsorge für jeden hat
    2. einige Autoren verschleiern Gottes besondere Vorsehung, indem sie es auf einzelne Handlungen beschränken; wir glauben dass Gott aktiv alle Geschehnisse leitet, so dass es keinen Platz für einen Zufall gibt

Text

Vorsehung – das muß der Leser festhalten – bedeutet also nicht, daß Gott müßig im Himmel betrachtete, was auf Erden vor sich geht, sondern im Gegenteil, daß er gewissermaßen das Ruder hält und also alle Ereignisse lenkt. Sie bezieht sich also auf die Hand Gottes nicht weniger als auf sein Auge, wenn Abraham zu sei­nem Sohne sagte: „Gott wird’s versehen“ (Gen. 22,8), so wollte er damit nicht nur behaupten, Gott sähe zukünftige Geschehnisse voraus, sondern er wollte vielmehr die Sorge um die ungewisse Zukunft auf den Willen dessen werfen, der stets ver­wickelten und verworrenen Dingen einen Ausgang zu geben weiß. Daraus folgt, daß die Vorsehung Gottes in seinem Wirken besteht, und deshalb ist es unklug, wenn einige von einem bloßen Vorherwissen Gottes schwatzen. Nicht gar so grob ist der Irrtum derer, die Gott zwar die Regierung zuschreiben, aber eine (mit den „anderen“ Mächten) durcheinandergebrachte und verworrene, wie ich schon er­wähnt habe. Danach würde er zwar das Weltgebäude mit allen seinen Teilen in allgemeiner Bewegung lenken und treiben, aber nicht etwa die Wirksamkeit jeder einzelnen Kreatur besonders regieren. Nichtsdestoweniger ist auch dieser Irrtum un­tragbar; denn man erklärt, diese Vorsehung, die man „allgemein“ nennt, hindere kei­neswegs die Geschöpfe in ihrer zufälligen Bewegung und auch nicht den Menschen, sich in freiem Willensentscheid da- oder dorthin zu wenden. Auf diese Weise teilt man zwischen Gott und dem Menschen. Gott soll dem Menschen durch seine Kraft die Bewegung verleihen, vermöge deren dieser dann nach der Beschaffenheit der ihm innewohnenden Natur tätig sein könnte – der Mensch aber könnte seine Hand­lungen nach seinem freien Entschluss bestimmen! Man meint also kurz, die Welt, das Geschick des Menschen und der Mensch selbst würden zwar durch Gottes Macht, nicht aber durch seine Bestimmung regiert! Da übergehe ich die Epikuräer – von dieser Pest war die Welt je und je erfüllt! -, die sich einen müßigen und faulen Gott erträumen, auch andere, die keineswegs vernünftiger waren, die einst meinten, Gott beherrsche nur die mittlere Luftregion und überließe dabei das darunter vorgehende dem Schicksal – denn gegen einen derart offenkundigen Wahnsinn erheben schon die stummen Geschöpfe genugsam Einspruch!

Ich will nämlich hier die ganz allgemein verbreitete Meinung widerlegen, die Gott irgendeine sozusagen verworrene Bewegkraft zuschreibt und ihm dadurch das Wesentlichste raubt, nämlich daß er alles in seiner unausforschlichen Weisheit zu seinem Zweck lenkt und leitet. Diese Meinung macht Gott bloß den Worten nach, nicht aber tatsächlich zum Regierer der Welt; denn sie nimmt ihm ja gerade die ei­gentliche Leitung! Was soll denn Regieren eigentlich anders heißen, als daß man einer Sache so vorsteht, daß man auch in bestimmter Ordnung lenkt, was man be­herrscht? Die Redewendung von der „allgemeinen“ Vorsehung will ich trotzdem nicht ganz ablehnen; nur muß man mir dann anderseits zugestehen, die Welt werde von Gott gelenkt, insofern er nicht nur die von ihm der Natur gesetzte Ordnung auf­rechterhält, sondern auch die besondere Fürsorge für jedes einzelne seiner Werke aus­übt! Denn es ist schon wahr, daß die einzelnen Gattungen sich aus verborgenem Na­turtrieb (arcano naturae instinctu) bewegen, als ob sie einem ewigen Befehl Gottes gehorchten und als ob nun von selbst abliefe, was Gott einmal geordnet hat. Dahin kann man auch deuten, daß Christus bezeugt, er und der Vater seien vom Anfang an immerdar am Werke (Joh. 5,17), daß Paulus lehrt: „In ihm leben, weben und sind wir“ (Apg. 17,28), oder daß der Verfasser des Hebräerbriefs, um Christi Gottheit zu beweisen, sagt, durch sein mächtiges Wort werde alles erhalten (Hebr. 1,3). Aber es ist völlig verkehrt, wenn man unter diesem Vorwande die „besondere“ Vorsehung verdunkeln will, die doch von so gewissen und klaren Schriftzeugnissen behauptet wird, daß man sich wundern muß, daß daran überhaupt jemand hat zweifeln können. Tatsächlich müssen ja auch solche, die jene Decke vorhängen, zur Richtigstellung ihres Irrtums selbst hinzufügen, es geschehe vieles aus besonderer Fürsorge Gottes heraus; aber das beschränken sie verkehrterweise bloß auf einzelne Akte. Wir wollen also festhalten: Gottes Walten geschieht so, daß er alle einzelnen Geschehnisse lenkt, und so kommt alles aus seinem bestimmten Ratschluss; es geschieht also nichts aus „Zufall“!

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This entry was posted on Dienstag, Januar 26th, 2010 at 01:00 and is filed under Buch 1, Buch 1 Kapitel 16, Institutio. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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