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Zusammenfassung

  1. warum sollte man über die Schöpfung des Menschen diskutieren?
    1. weil der Mensch das nobelste Beispiel von Gottes Gerechtigkeit, Weisheit und Güte ist
    2. weil die Selbsterkenntnis des Menschen wichtig ist, um zu einer klaren und vollständigen Gotteserkenntnis zu kommen
  2. die zwei Seiten der Selbsterkenntnis
    1. wie der Mensch war bei seiner Schöpfung (wird hier behandelt)
    2. wie der Mensch wurde nach dem Sündenfall (wird später behandelt)
  3. unsere Absicht: Gottes Gerechtigkeit gegen jede Beschuldigung zu verteidigen

Text

Es muß nun weiter auch von der Schöpfung des Menschen die Rede sein. Denn er ist unter allen Werken Gottes der edelste und sichtbarste Erweis seiner Gerechtigkeit, Weisheit und Güte. Und besonders kann ja, wie wir am Anfang ausführten, Gott von uns gar nicht rein und gewiß erkannt werden, wenn nicht wiederum die Selbsterkenntnis hinzukommt. Diese Selbsterkenntnis ist freilich von doppelter Art: wir müssen zunächst wissen, wie wir im Ursprung geschaffen waren, und dann auch, wie wir seit Adams Fall daran sind: — es würde uns nicht viel nutzen, von unserer Erschaffung zu wissen, wenn wir nicht all diesem schrecklichen Zerfall, in dem wir nun leben, die Verderbnis und Entstellung unserer Natur erkennten! Wir wollen aber trotzdem hier zunächst die Beschreibung unserer ursprünglich reinen (integrae) Na­tur vornehmen. Und es ist auch tatsächlich, ehe wir uns dem jämmerlichen Zustande des Menschen zuwenden, dem er heute unterworfen ist, durchaus der Mühe wert, ins Auge zu fassen, wie er denn eigentlich im Anfang geschaffen worden ist. Denn wir müssen uns sehr wohl vor dem Anschein hüten, als schrieben wir, indem wir bloß die natürliche Bosheit des Menschen genau darlegten, sie gar dem Urheber der Na­tur zu. Denn die Gottlosigkeit möchte sich allzugern mit diesem Vorwand verteidi­gen, wenn sie zu behaupten unternimmt, alles, was sie Böses in sich trage, das sei gewissermaßen von Gott ausgegangen — und sie zögert ja auch, wenn sie gestraft wird, keineswegs, mit Gott selber rechten zu wollen und ihm die Schuld zuzuschieben, deren sie mit Recht angeklagt wird. Und Leute, die auf den Schein frommeren Re­dens von der Gottheit Wert legen, suchen doch ihre Verkehrtheit gern mit der Natur zu entschuldigen und bedenken dabei gar nicht, daß sie damit auch Gott beschimp­fen — wenn auch etwas heimlicher! Denn es wäre doch eine Schande für ihn, wenn man beweisen könnte, an der Natur sei etwas Verkehrtes. Wir sehen also, wie das Fleisch nach allerlei Ausflüchten hascht, um dadurch nach seiner Meinung die Schuld von sich auf einen anderen wälzen zu können. Und dieser Bosheit müssen wir mit Fleiß entgegentreten. Deshalb muß man das menschliche Unheil so behandeln, daß von vornherein alle Auswege abgeschnitten sind und die Gerechtigkeit Gottes von jeder Anschuldigung frei bleibt. Später werden wir dann, wenn wir soweit sind, zusehen, wie weit wir Menschen von der Reinheit entfernt sind, die dem Adam ge­schenkt war. Vorerst müssen wir aber das bedenken: der Mensch ist aus Erde und Lehm genommen, und damit ist seinem Stolz ein Zügel angelegt; denn es wäre ja völlig widersinnig, wenn sich einer seiner hervorragenden Stellung rühmen wollte, der nicht nur in einer Lehmhütte seine Wohnstatt hat, sondern gar selbst zum Teil aus Erde und Asche ist! Freilich, Gott hat sich herbeigelassen, dieses irdene Gefäß lebendig zu machen (zu beseelen), und er hat es gar zum Wohnsitz eines unsterblichen Geistes ersehen. Solcher Großmut seines Schöpfers konnte sich Adam mit Recht rühmen!

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This entry was posted on Freitag, Januar 15th, 2010 at 01:00 and is filed under Buch 1, Buch 1 Kapitel 15, Institutio. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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