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Zusammenfassung:

  1. Es ist eine falsche Religion, die sich nur auf der knechtischen, zwanghaften Angst vor Gottes Gericht begründet
    1. solche gottlosen Leute wollen eigentlich Gott und sein Gericht weg haben
    2. weil sie sich bewusst sind, dass sie Gott nicht wegzaubern können, praktizieren sie eine Scheinreligion
    3. trotz ihrer gespielten Angst führen sie doch ein zügelloses Leben
  2. Unterschied zwischen wahrer und falscher Gottesfurcht
    1. rebellisch in ihrem Herzen, spielen sie einen falschen Gehorsam Gott gegenüber durch armselige Opfergaben und hochgespielten Gehorsam, doch ist ihr Leben voller Sittenlosigkeit
    2. ihr Vertrauen liegt nicht in Gott, ihrem Schöpfer, sondern in ihnen selbst, den Geschöpfen
    3. die Folge ist geistliche Blindheit: das angeborene Wissen über Gottes Existenz, dass, obwohl nicht verloren, doch völlig verdorben ist
    4. Zusammenfassend: die von Natur angeborene Kenntnis über Gott wird gerade durch die widerwilligen und oberflächlichen Gebete der Gottlosen in schweren Zeiten ersichtlich; doch ihre Verbohrtheit hindert sie, dass sie die wahren Religion erkennen können.

Text:

Dazu kommt nun noch eine weitere Sünde: Man macht sich nur noch unter Zwang Gedanken über Gott, sucht seine Nähe nur widerstrebend, genötigt. Und auch dann kommt es nicht zu freiwilliger Gottesfurcht, wie sie die Achtung vor Gottes Maje­stät mit sich bringt, sondern bloß zu knechtischer, erzwungener Angst vor Gottes Gericht: dem kann man nicht entgehen, erschrickt aber vor ihm und will nichts mit ihm zu tun haben. So paßt auf die Gottlosigkeit, und auf diese allein, der Aus­spruch des Statius, die Furcht habe zuerst in der Welt Götter gemacht. Wer sein Herz von der Gerechtigkeit Gottes abwendet, der weiß zwar, daß ein Gericht besteht, die Gesetzesübertretung zu ahnden, aber er wünscht um so mehr, dies Gericht möchte zunichte werden. Das ist die Gesinnung, aus der man gegen Gott Krieg führt, der doch ohne Gericht nicht sein kann. Da man aber doch gewahrt, daß Gottes Macht unab­wendbar droht — denn man kann sie nicht beiseiteschieben noch ihr entlaufen! —, so gerät man vor ihr ins Zittern. Man möchte nun gewiß nicht den Anschein erwecken, als ob man Gott verachte, dessen Majestät einen doch bedrängt, und deshalb verrichtet man äußerlich allerlei religiöses Scheinwerk, hört aber unterdessen keineswegs auf, sich mit allen Lastern zu beflecken, Schande auf Schande zu wälzen, bis man das hei­lige Gesetz des Herrn in jeder Beziehung verletzt und seine Gerechtigkeit gänzlich aufgelöst hat. Jedenfalls bietet jene vorgetäuschte Gottesfurcht keinerlei Hemmnis dagegen, daß man sich in seinen Sünden richtig wohlfühlt, sich in ihnen gefällt und lieber der Zügellosigkeit des eigenen Fleisches sich hingibt, als der Zucht des Heiligen Geistes zu gehorchen! Aber dies ist ja alles ein leerer und verlogener Schein der Religion, kaum gar des Namens „Schein“ würdig; und so kann man gerade hier wiederum leicht wahrnehmen, wie sehr sich die Frömmigkeit, die allein im Herzen der Gläubigen wohnt und aus der erst die wahre Religion geboren wird, von diesem wirren Wissen um Gott unterscheidet. Und doch wollen solche Heuchler auf Schleich­wegen erreichen, daß sie Gott, vor dem sie doch auf der Flucht sind, nahe scheinen. Ihr ganzes Leben lang sollten sie ihm ohne Unterlaß gehorsam sein; aber statt dessen trotzen sie ihm unerschrocken fast in all ihrem Tun und versuchen ihn nur durch ein paar Opfer zu versöhnen! In Heiligkeit des Lebens und Reinheit des Herzens sollten sie ihm dienen; aber statt dessen erdichten sie sich läppisches Possenzeug und nichtige Dienstlein, mit denen sie sein Wohlgefallen erwerben möchten! Ja sie versenken sich um so kecker in ihren Schlamm, weil sie wähnen, mit lächerlichen Bußübungen mit Gott ins reine zu kommen. Endlich: all ihr Vertrauen sollten sie auf ihn richten, und statt dessen setzen sie ihn beiseite und gründen ihr Vertrauen auf sich selbst oder die Kreaturen! Zum Schluß verwickeln sie sich dermaßen in allerlei Irrtum, daß ihre finstere Bosheit jene Funken auslöscht und gar erstickt, die zur Erkenntnis der Herr­lichkeit Gottes aufleuchteten. Und trotzdem lebt jener Keim, der auf keine Weise gänzlich auszurotten ist, jene Ahnung, es sei irgendein göttliches Wesen. Aber dieser Keim ist selbst so verderbt, daß er nur die schlechtesten Früchte erzeugt.

So erweist sich nur desto klarer die Richtigkeit meiner Behauptung, es sei von Natur dem Menschenherzen ein Empfinden von Gott eingemeißelt. Erzwingt doch die Notwendigkeit auch von den Gottlosen deren Anerkennung! Im ungestörten Glück spotten sie Gottes, sind Kläffer und Schwätzer, um seine Macht zu verkleinern. Aber wenn die Verzweiflung sie quält, dann drängt sie sie, Gott zu suchen, und gibt ihnen Stoßgebete ein — woraus dann deutlich wird, daß sie gar nicht gänzlich ohne Kunde von Gott sind, daß sie aber in Bosheit unterdrückt haben, was längst in ihnen hätte emporkommen sollen!

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This entry was posted on Donnerstag, September 17th, 2009 at 01:00 and is filed under Buch 1, Buch 1 Kapitel 04, Institutio. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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