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Zusammenfassung

  1. sogenannte „Freigeister“ oder extreme Charismatiker geben die Schrift zugunsten einer direkten Inspiration des Geistes auf. Sie meinen, dass sich sich somit vom „Gesetz, das tötet“ lösen können
  2. die Apostel in der Urkirche, erleuchtet durch den Heiligen Geist, behandelten das geschriebene Wort Gottes nicht mit Verachtung, nur weil sie neue Offenbarungen erhielten
    1. ihre ehrfürchtige Haltung ist prophezeit in Jes. 59:21
    2. bezeugt durch Paulus, der trotz seiner ekstatischen Erlebnisse (2. Kor 12:2) darauf bestand, das Gesetz und die Propheten zu beachten
  3. die Aufgabe des Geistes ist nicht eine neue Form der Lehre zu erfinden, die uns vom Evangelium trennt

Text

Wer die Schrift verwirft und sich dann irgendeinen Weg erträumt, um zu Gott zu kommen, der ist nicht eigentlich dem Irrtum, sondern der Raserei verfallen. So sind neuerdings einige Schwindelköpfe aufgetreten, die sich hochmütig für geisterfüllte Lehrer ausgeben — aber sie verachten alles Lesen der Schrift und machen sich über die Einfalt derer lustig, die nach ihrer Meinung an toten und tötenden Buchstaben hangen. Ich möchte nur fragen, was das denn für ein Geist sei, durch dessen Wehen sie so hoch daherfahren, daß sie die Lehre der Schrift als kindisch und unwesentlich zu verachten sich erkühnen! Sollten sie antworten, das sei Christi Geist, so ist das lächerliche Verblendung. Denn sie werden ja dann doch wohl zugeben, daß die Apostel Christi und die anderen Gläubigen in der Urkirche von keinem anderen Geiste erleuchtet gewesen sind. Aber dieser Geist hat keinen von ihnen die Verachtung des Wortes Gottes gelehrt, sondern sie haben nur größere Verehrung gelernt, wie ihre Schriften deutlichst bezeugen. So war es schon vom Propheten Jesaja vorhergesagt. Wenn er nämlich ausspricht: „Mein Geist, der in dir ist, und meine Worte, die ich in deinen Mund gelegt habe, sollen nicht von deinem Munde weichen noch von dem Mund deines Samens ewiglich“ (Jes. 59,21), so bindet er das Volk des Alten Bundes nicht an eine äußerliche Lehre, als ob es noch in den Anfangsgründen steckte, nein, er lehrt, das werde das rechte und volle Heil der neuen Gemeinde unter der Herrschaft Christi sein, daß sie nicht weniger durch das Wort Gottes als durch den Geist regiert würde! Hier wird deutlich, daß jene Windbeutel in schändlichem Frevel auseinanderreißen, was der Prophet zu unverletzlicher Einheit verbunden hat. Man muß hierzu noch beachten, daß Paulus, der doch bis in den dritten Himmel entzückt worden ist, nicht aufhörte, in der Lehre des Gesetzes und der Propheten fortzu­schreiten, wie er denn auch den Timotheus, einen Lehrer von so einzigartiger Vor­bildlichkeit, zum Festhalten am Lesen der Schrift ermahnt (1. Tim. 4,13). Und wie denkwürdig ist das Lob, das er der Schrift darbringt, wenn er sagt, sie sei „nützlich zur Lehre, zur Ermahnung, zur Besserung, daß ein Knecht Gottes vollkommen sei …“ (2. Tim. 3,16)! Was ist es doch für ein teuflischer Wahn, von einer bloß zeitlichen und vorübergehenden Geltung der Schrift zu phantasieren — wo sie doch die Kinder Gottes bis zum äußersten Ziele führt! Auch sollten doch jene Schwär­mer angeben, ob sie eigentlich einen anderen Geist empfangen haben als den, den der Herr seinen Jüngern verheißen hat. Ich glaube zwar, daß sie vom tollsten Wahn gequält sind — aber das in Anspruch zu nehmen, so toll werden sie doch nicht sein! Was war das aber für ein Geist, den Christus verhieß? Einer, der „nicht von ihm selber redete“ (Joh. 16,13), sondern der ihnen lebendig einprägte, was er selbst ihnen durch das Wort übermittelt hatte! Das Amt des Geistes, der uns verheißen ist, besteht also nicht darin, neue und unerhörte Offenbarungen zu erdichten oder eine neue Lehre aufzubringen, durch die wir von der überlieferten Lehre des Evan­geliums abkommen müßten — sondern sein Amt ist eben, die Lehre in uns zu ver­siegeln, die uns im Evangelium ans Herz gelegt wird!

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This entry was posted on Sonntag, November 1st, 2009 at 12:48 and is filed under Buch 1, Buch 1 Kapitel 09, Institutio. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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