Play

Zusammenfassung

  1. die Gefahr von unzähligen Missgeschicken begegnet uns an allen Ecken, selbst wenn sie nur sehr selten sind, oder wenigstens nicht für alle oder zur gleichen Zeit
  2. was für ein armseliges Leben des Bangens müssten wir ertragen, wenn wir vom blinden Schicksal hin und her geworfen würden.

Text

Hier aber bewährt sich das unbeschreibliche Glück eines frommen Herzens. Un­zählig sind die Übel, die unser menschliches Leben belagern, stets lauert in ihnen der Tod. Wir brauchen nicht über uns hinauszugehen: unser Leib ist ein Nest von tau­send Krankheiten, und wie viel Krankheitsursachen trägt und nährt er in sich! Der Mensch kann sich nicht regen, ohne in vielerlei Gestalt sein Verderben in sich zu tra­gen, und er führt sein Leben sozusagen stets verwoben mit dem Tod! Wie soll man es anders ausdrücken – wo er doch ohne Gefahr weder Frost noch Schweiß erträgt? Und wohin man sich auch wendet: alles, was uns umgibt, ist nicht nur von zweifel­hafter Zuverlässigkeit, sondern steht uns schier mit offener Drohung gegenüber und scheint uns des Todes Nähe anzukündigen. Steige in ein Schiff – und du bist nur einen Schritt vom Tode! Setze dich zu Pferd – am Straucheln eines Fußes hängt dein Leben! Gehe durch die Straßen der Stadt – soviel Ziegel auf den Dächern sind, soviel Gefahren bist du ausgesetzt! Ist eine Waffe in deiner oder deines Freundes Hand – der Schade lauert auf dich! Wie viel wilde Tiere du siehst – sie sind gerüstet, dich zu verderben! Und wenn du dich auch in einen ummauerten Gar­ten einschließen willst, wo nichts als Lieblichkeit dir erscheint – auch da lauert zu­weilen eine Schlange! Immerzu ist dein Haus der Feuersbrunst ausgesetzt, alle Tage kann es dich arm machen, alle Nächte kann es dich erschlagen! Der Acker ist in Ge­fahr vor Hagel, Reif, Dürre und anderem Unwetter – und das bedeutet für dich Mißwachs und Hunger! Ich übergehe Vergiftungen, Heimtücke, Räuberei, offene Gewalt, die uns im eigenen Haus oder auch draußen nachstellen! Müsste nicht unter solchen Ängsten der Mensch ganz elend sein, der sein Lebtag halbtot ist und seinen geängstigten und matten Geist ärmlich und kränklich erhält, als ob immerzu über sei­nem Nacken ein Schwert hinge? Du magst sagen, das alles geschehe immerhin selten oder wenigstens doch nicht immer und nicht allen Leuten, außerdem doch niemals alles zusammen. Das gebe ich zu; aber das Beispiel anderer lehrt uns, daß es auch uns zustoßen kann, und unser Leben macht nicht mehr als das ihrige eine Aus­nahme; deshalb müssen auch wir notwendig Furcht und Schrecken empfinden, es könnte auch uns begegnen! Was ist aber unseliger als solches Zagen? Außerdem würde es doch nicht ohne Verachtung Gottes abgehen, wenn man sagen wollte, er habe den Menschen, das edelste seiner Geschöpfe, den blinden und zufälligen Stößen des Schicksals ausgesetzt! Aber ich wollte ja hier bloß vom Elend des Menschen re­den, wie er es empfinden müßte, wenn er der Herrschaft des Zufalls unterworfen wäre.

Themen:

This entry was posted on Mittwoch, Februar 10th, 2010 at 01:00 and is filed under Buch 1, Buch 1 Kapitel 17, Institutio. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

Leave a reply

Name (*)
Mail (will not be published) (*)
URI
Comment