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Zusammenfassung

  1. die Philosophen, unwissend über den Abfall des Menschen, verwechseln zwei sehr verschiedene Zustände des Menschen
  2. die menschliche Seele besteht aus zwei Vermögen
    1. Verstand: unterscheidet zwischen Gegenstände, um sie anzunehmen oder abzulehnen – handelt also wie ein Führer oder ein Herrscher der Seele
    2. Wille: wählt und folgt, was der Verstand als gut anerkennt und meidet, was er ablehnt – beachtet die Entscheidung des Verstandes und wartet auf eine Urteil des Verstandes nach seinen Begehren
  3. gleichwertige Ausdrücke: Philosophen unterscheiden zwischen Verstand und Sinnesneigungen, wir schliessen die Sinnesneigungen im Verstand ein. Wir ersetzen auch das Wort „Wille “ für den philosophischen Gebrauch des Wortes „Begehren“.

Text

Aber eben weil die Philosophen nichts von der Verderbnis der Natur wissen, wie sie aus der Strafe für den Abfall entsprungen ist, und weil sie auf diese Weise zwei sehr verschiedene Zustände („Stände“, status) des Menschen aufs verkehrteste durcheinan­derwerfen, deshalb müssen wir von dieser Lehrart ein wenig abweichen. So stellen wir also fest: in der Menschenseele sind zwei Vermögen (partes), die zu unserer jetzigen Lehraufgabe sehr wohl passen, nämlich Verstand und Wille (intellectus et voluntas). Als Aufgabe des Verstandes wollen wir ansehen: unter den Gegen­ständen zu unterscheiden, je nachdem ihnen Billigung oder Mißbilligung zuzukom­men scheint, als Aufgabe des Willens: das zu erwählen und dem nachzugehen, was der Verstand für gut erkannt hat, das zu verachten und dem aus dem Wege zu gehen, was er verworfen hat (so Platon im Phaidros). Dabei sollen uns die Kleinlich­keiten des Aristoteles nicht aufhalten, der meint, das Gemüt (Verstand, mens) habe an sich gar keine Bewegung, sondern das Bewegende sei das Wahlvermögen (electio), das er auch „begehrenden Verstand“ nennt. Um nicht bei überflüssigen Fragen zu verweilen, soll uns die Feststellung genügen, daß der Verstand sozusagen der Führer und Lenker der Seele ist, der Wille dagegen stets auf seinen Wink achtet und sein Urteil bei seinen Wünschen abwartet. In diesem Sinne lehrt der gleiche Aristoteles, im Begehren sei das Fliehen und Nachjagen etwas Ähnliches wie das Verneinen und Bejahen im Gemüt (in mente, Nik. Ethik, VI,2). Wie zuverlässig nun aber fer­ner diese Leitung des Verstandes über den Willen ist, das werden wir später sehen. Hier wollen wir nur feststellen, daß in der Seele keine Fähigkeit zu finden ist, die sich nicht mit Recht einer der beiden Grundvermögen (Verstand und Wille) zuordnen ließe. So ordnen wir auch die Sinnesneigungen (sensus) dem Verstande unter; an­dere machen da eine Unterscheidung und sagen, die Sinne neigten zum Vergnügen, während dagegen der Verstand dem Guten folgte, so daß also aus der Regung des Sinnes Begierde und Lust entstünde, aus der des Verstandes aber der Wille. Ander­seits verwende ich statt des Begriffs Begehrungsvermögen (appetitus), den jene vorziehen, lieber den Ausdruck „Wille“, weil er gebräuchlicher ist.

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This entry was posted on Donnerstag, Januar 21st, 2010 at 01:00 and is filed under Buch 1, Buch 1 Kapitel 15, Institutio. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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