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Zusammenfassung:

  1. es gibt ein unauslöschliches Gefühl des Göttlichen, dass in den Geist der Menschen eingraviert wurde
    1. selbst die Perversität der Gottlosen beweist es
    2. das Bewusstsein der Existenz Gottes ist uns von Geburt her gegeben und es handelt sich nicht um ein erlernten Glaubenssatz
  2. der Gottesdienst und das Streben, Gott ähnlich zu werden, ist das einzige, was den Menschen von den Tieren unterscheidet.

Text:

Es werden also alle, die recht urteilen, stets darin einig sein: es ist wirklich im Herzen des Menschen ein Empfinden für die Gottheit gleichsam eingemeißelt, das unzerstörbar ist. Ja gerade der hartnäckige Widerspruch der Gottlosen, die sich trotz ihres heftigen Widerstrebens der Furcht Gottes nicht entwinden können, ist ein Be­weis dafür, daß jene Überzeugung vom Dasein eines Gottes allen Menschen ange­boren und geradezu in ihrem Innersten fest verwurzelt ist. Mögen nun Diagoras und seinesgleichen ihren Spott über alles ausgießen, was alle Jahrhunderte geglaubt haben, mag Dionysius das himmlische Gericht lästern — es ist doch nur das bittere Lachen der Verzweiflung; denn in ihnen nagt der Wurm des Gewissens, beißender als alle Brandmale. Ich sage nicht mit Cicero (De natura deorum, II,2,5), die Irr­tümer würden mit der Zeit verschwinden, die Religion aber je mehr und mehr zu­nehmen und vollkommener werden. Denn die Welt versucht, wie wir noch weiter unten sehen werden, alles Wissen um Gott nach Kräften auszulöschen und die Ver­ehrung Gottes auf allerlei Weise zu verderben. Aber das behaupte ich doch: mag auch die törichte Verhärtung, wie sie die Gottlosen zur Verachtung Gottes so gerne in sich aufkommen lassen, in ihrem Herzen noch so sehr ihr zersetzendes Dasein füh­ren, so ist doch jenes Empfinden um die Gottheit, das sie so gerne ganz ausgelöscht hätten, auch in ihnen noch bei Kräften und bricht neu hervor. Daraus wird ganz deutlich: es handelt sich hier nicht um eine Lehre, die man erst in der Schule lernen müßte; sondern jeder ist hierin von Geburt an sein eigener Lehrmeister, und die Natur selbst verhindert das Vergessen, so sehr auch viele Menschen alle Kräfte an­spannen, um von dieser Lehre loszukommen.

Aber, weiter: wir sind doch alle dazu geboren und leben, um Gott zu erkennen. Wenn das Wissen um Gott (Dei notitia) nicht soweit dringt, so ist es eitel und flüchtig. Deshalb sind offenbar alle Menschen aus dem Gesetz ihrer Schöpfung heraus­gefallen, die nicht auf dieses Ziel all ihre Gedanken und all ihr Tun ausrichten. Das war auch den Philosophen wohlbekannt. Denn das eben wollte Platon (Phaedon 107 C, Theaetet 176 B) mit seiner wiederholten Äußerung sagen, das höchste Gut der Seele sei die Ähnlichkeit mit Gott; sei sie seiner Erkenntnis teilhaftig geworden, so werde sie ihm ganz gleichförmig. Durchaus scharfsinnig urteilt auch Gryllus bei Plutarch, der behauptet, der Mensch ohne alle Religion sei nicht nur ohne jeden Vorzug gegenüber den unvernünftigen Tieren, sondern stehe in mancherlei Beziehung gar noch tiefer als sie, da er, so vielerlei Unglück unterworfen, stets in Unruhe und Rastlosigkeit dahinleben müsse. Denn nur der Dienst Gottes gebe dem Menschen seinen Vorrang, er allein führe ihn zur Unsterblichkeit.

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This entry was posted on Mittwoch, September 9th, 2009 at 01:00 and is filed under Buch 1, Buch 1 Kapitel 03, Institutio. You can follow any responses to this entry through the RSS 2.0 feed. You can leave a response, or trackback from your own site.

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