Archive for the ‘Institutio’ Category

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Zusammenfassung

  1. die rechte Haltung in Bezug auf Gottes Vorsehung ist die der Ehrfurcht, Ehrerbietung und Demut, nicht die des Hochmuts einiger, die versuchen, Gottes Handeln durch ihre eigene Vernunft zu begrenzen
  2. die Bibel beweist unbestreitbar, dass alles, was in diesem Universum geschieht, durch Gottes unfassbaren Plan geleitet wird.
    1. der Wille Gottes, wie er sich im Gesetz und im Evangelium offenbart, unterscheidet sich von Gottes verborgenen Willen (siehe 1-18-03 für die Einheit des Willen Gottes)
    2. das Zeugnis Hiobs, besonders, im Bezug auf das
  3. lasst uns also Gottes Allmacht anerkennen, dass sein Wille für uns die einzige Regel der Gerechtigkeit und die wahrhaftige Ursache aller Dinge sei
    1. es ist nicht ein absoluter Wille, der von seiner Gerechtigkeit getrennt ist (Sorbonne)
    2. aber die Vorsehung, die Quelle alles Gerechten, jedoch verborgen

Text

Es wird also niemand Gottes Vorsehung recht und mit Nutzen erwägen, der nicht bedenkt, daß er es mit seinem Schöpfer und dem Wirker der Welt zu tun hat, und sich ihm dementsprechend zu Furcht und Ehrerbietung in gebührender Demut unter­wirft. Daß heutzutage so viele Hunde diese Lehre mit giftigen Bissen oder wenig­stens mit ihrem Gebell angreifen, das kommt daher, daß sie Gott nicht mehr zuge­stehen wollen, als ihnen die eigene Vernunft gebietet. Auch uns bekämpfen sie mit aller ihnen zu Gebote stehenden Frechheit, weil wir mit den Vorschriften des Gesetzes nicht zufrieden wären, in denen doch Gottes Wille niedergelegt ist, sondern auch noch behaupteten, die Welt werde durch seine verborgenen Ratschlüsse regiert. Als ob diese Lehre ein Gebild unseres Hirns wäre, als ob der Heilige Geist das alles nicht überall deutlich zu erkennen gäbe und es mit unzähligen Umschreibungen immer wiederholte! Aber sie haben eine gewisse Scheu, ihre Lasterungen gegen den Himmel auszustoßen, und deshalb geben sie, um desto freier rasen zu können, vor, es handle sich um einen Streit mit uns! Aber wenn sie nicht zugeben, daß alles Geschehen in der Welt durch Gottes unbegreiflichen Ratschluss gelenkt werde, dann sollen sie doch Auskunft geben, weshalb denn die Schrift sagt, Gottes Gerichte seien ein tiefer Abgrund! (Ps. 36,7). Denn wenn Mose ausruft, der Wille Gottes sei nicht fern oben in den Wolken, er sei auch nicht im Abgrund zu suchen, weil er ja im Gesetz ver­ständlich dargelegt sei (Deut. 30,11ff.), so folgt daraus: ein anderer, verborgener Wille wird mit dem Abgrunde verglichen! Davon redet ja auch Paulus, wenn er sagt: „O, welch eine Tiefe des Reichtums, beides, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes; wie unerforschlich sind seine Gerichte und wie unbegreiflich seine Wege! Denn wer hat des Herrn Sinn erkannt? Oder wer ist sein Ratgeber gewesen?“ (Röm. 11,33f.). Es ist wahr: Gesetz und Evangelium enthalten Geheimnisse, die weit über unser Verstehen hinausgehen. Aber Gott erleuchtet das Herz der Seinen mit dem Geiste der Erkenntnis, um diese Geheimnisse zu fassen, die er in seinem Worte zu offenbaren für gut befunden hat; und darum ist hier kein Abgrund mehr, sondern ein Weg, auf dem man sicher gehen kann, und eine Leuchte für unseren Fuß, das Licht des Lebens, die Schule gewisser und deutlicher Wahrheit! Die wundersame Art der Weltregierung dagegen heißt mit Recht Abgrund; denn wir sollen sie in ihrer Ver­borgenheit ehrerbietig anbeten. Beides drückt Mose sehr schön mit wenigen Worten aus: „Das Geheimnis steht bei unserem Gott; aber was hier geschrieben ist, das geht euch und eure Kinder an“ (Deut. 29,29; nicht Luthertext). Da befiehlt er, wie wir sehen, nicht nur, auf die Beobachtung des Gesetzes eifrig zu halten, sondern auch Gottes geheime Vorsehung in Ehrfurcht zu betrachten. Ein Lobpreis dieser Erhaben­heit steht auch im Buche Hiob – und es ist demütigend für uns, was wir da hören! Nachdem der Verfasser das Weltgebäude droben und hienieden betrachtet und dabei großartig von den Werken Gottes geredet hat, fügt er am Ende hinzu: „Wahrlich, das ist der Umkreis seiner Wege, und wie gar wenig haben wir davon vernommen!“ (Hiob 26,14; nicht Luthertext). In diesem Sinne macht er an anderer Stelle auch einen Unterschied zwischen der Weisheit, die bei Gott wohnt, und der Art des Wei­seseins, die er den Menschen geboten hat. Denn nach einer Rede über die Geheim­nisse der Natur sagt er, die Weisheit sei Gott allein bekannt, und sie entgehe den Augen aller Lebendigen (Hiob 28,21.23). Aber dann fügt er doch gleich hinzu, sie sei kundgetan, damit der Mensch sie erforsche; denn dem Menschen sei ja gesagt: Siehe, die Furcht des Herrn, das ist Weisheit“ (Hiob 28,28). In dieser Richtung geht auch der Ausspruch Augustins: „Weil wir nicht alles wissen, was Gott in bester Ordnung an uns tut, so handeln wir bloß in gutem Willen nach dem Gesetz, und in allem übrigen werden wir nach dem Gesetz getrieben – denn seine Vorsehung ist ein unabänderliches Gesetz!“ (Verschiedene Fragen 83,27) Da Gott sich das Recht der Weltregierung, das uns nicht bekannt ist, selbst vorbehalten hat, so muß dies das Gesetz unserer Demut und Bescheidenheit sein, an seiner höchsten Befehlsgewalt zu hängen, damit sein Wille für uns die einzige Richtschnur der Gerechtigkeit und die gerechteste Ursache aller Dinge sei! Das ist aber nicht jener „absolute Wille“, von dem die Sophisten schwatzen, die in gottloser und unheiliger Zerspaltung seine Gerechtigkeit von seiner Macht trennen; sondern es ist die Vorsehung, die alle Dinge regiert, von welcher lauter Gutes kommt, so verborgen uns ihre Gründe auch sein mögen!

1
Feb

Der Sinn der Wege Gottes (Institutio 1-17-01)

   Posted by: Didier Tags:

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Zusammenfassung

  1. drei Sachen sind zu merken
    1. Gottes Vorsehung betrifft die Vergangenheit wie auch die Zukunft (siehe Sekt. 3 bis 5)
    2. er wirkt… (vor allem in Sekt. 9)
      1. manchmal mittelbar
      2. manchmal unmittelbar
      3. manchmal sogar wider allen Umständen
    3. durch die Vorsehung zeigt Gott sein Interesse für das ganze Menschengeschlecht, doch besondere Aufmerksamkeit erweist er seiner Kirche (behandelt in Sekt. 6 bis 8)
  2. die gelegentliche Verschleierung von Gottes Vorsehung in seinem Walten mit den Menschen sollte uns nicht dazu führen, alle Geschehnisse dem blinden Zufall zuzuschreiben oder gegen seine geheimen Ratsschlüsse zu rebellieren

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Aber der Menschengeist ist zu leeren Spitzfindigkeiten geneigt, und deshalb müssen notwendig alle, die den guten, rechten Gebrauch dieser Lehre nicht erfassen, sich in verwirrte Knoten verstricken. Deshalb ist es gut, hier noch kurz zu berühren, zu welchem Zweck denn die Schrift lehrt, es werde alles von Gott angeordnet.

Zunächst ist da zu beachten, daß die Vorsehung Gottes auf die Zukunft wie auch auf die Vergangenheit bezogen werden muß. Ferner müssen wir bemerken, daß sie alle Dinge derart lenkt, daß sie bald unter Einschaltung von Mittelursachen, bald ohne solche, bald gegen alle Mittelursachen wirkt. Und endlich ist als Hauptgesichtspunkt anzusehen, daß Gott zeigen will, wie er für das ganze Menschengeschlecht sorgt, wie er aber besonders über der Regierung der Kirche wacht, die er seines näheren Anschauens würdigt. Zuzufügen ist noch das: Gewiss leuchtet aus dem ganzen Gange der Vorsehung entweder seine väterliche Huld und Wohltätigkeit oder auch der Ernst seines Gerichts oftmals deutlich auf; aber es sind dennoch die Gründe des Geschehens oft unbekannt, so daß die Meinung aufkommt, das menschliche Geschick würde durch den blinden Trieb der Natur gedreht und ge­wendet, oder daß das Fleisch uns zur Einrede reizt, als ob Gott die Menschen wie Bälle daherwürfe und mit ihnen sein Spiel triebe. Aber es ist doch auch wahr, wenn wir mit ruhigem und gelassenem Herzen zum Lernen bereit wären, so würde uns aus dem Ausgang schon klar werden, wie Gott mit seinem Ratschluss stets den besten Weg einschlägt, um die Seinen zur Geduld zu erziehen, oder um ihre bösen Nei­gungen zu bessern und ihre Geilheit zu zähmen, oder um sie zur Selbstverleugnung zu bringen, oder um sie aus dem Schlaf zu erwecken, andererseits aber auch, um die Übermütigen zu Boden zu werfen, die Lücke der Gottlosen zunichte zu machen und ihre Ränke zu zerstreuen. Und mögen uns auch trotzdem seine Gründe verborgen und fern sein, so dürfen wir sicher glauben, daß sie bei ihm verborgen sind, und des­halb mit David ausrufen: „Herr, mein Gott, groß sind deine Wunder, und deine Gedanken, die du an uns beweisest, sind nicht zu begreifen, wenn ich versuche, sie auszureden, so übersteigen sie alles Erzählen (Ps. 40,6; nicht Luthertext). Denn ob­gleich wir in Trübsalen immer unserer Sünden gedenken müssen, und obwohl die Strafe selbst uns zur Buße reizt, so sehen wir doch, wie Christus dem geheimen Ratschluss des Vaters ein noch größeres Recht zuschreibt als bloß, daß er jeden nach seinem Verdienst strafe. Denn er sagt von dem Blindgeborenen: „Weder dieser hat gesündigt, noch seine Eltern, sondern damit Gottes Herrlichkeit an ihm offenbar werde!“ (Joh. 9,3). Da war das Unglück doch schon vor dem Tage der Geburt da, und das Gefühl sträubt sich, als ob Gott ohne Gnade Unschuldige so hart behandle. Aber Christus bezeugt, daß in diesem Ereignis die Herrlichkeit seines Vaters her­vorleuchte, wenn wir nur klare Augen dazu hätten! Wir müssen eben an der Beschei­denheit festhalten, die Gott nicht zur Rechenschaft zieht; wir sollen vielmehr seine verborgenen Ratschlüsse ehren, damit uns sein Wille der gerechteste Grund aller Dinge sei! Wenn dichte Wolken den Himmel bedecken und heftiger Sturm ausbricht, so sehen unsere Augen nur traurige Finsternis, unsere Ohren betäubt der Donner, und all unsere Sinne erstarren vor Schrecken; deshalb scheint uns alles zusammenzu­brechen und durcheinanderzugeraten – aber unterdessen bleibt im Himmel stets die gleiche Ruhe und Heiterkeit! So sollen wir auch festhalten: wenn uns in der Welt das Durcheinander alles Urteilen unmöglich machen will, so leitet doch Gott mit dem reinen Lichte seiner Gerechtigkeit und Weisheit selbst alle diese Bewegungen in be­stimmter Ordnung und führt sie zum rechten Ziel. Es ist wahrlich eine merkwürdige Sucht, wenn manche Leute mit so großer Selbstsicherheit Gottes Werke vor ihr Gericht fordern, seine geheimen Ratschläge nachrechnen und über unbekannte Dinge jählings ein Urteil abgeben, mehr, als sie es bei Taten von sterblichen Menschen tun würden! Denn was ist verkehrter, als unsersgleichen gegenüber lieber in Bescheiden­heit mit unserem Urteil zurückzuhalten, als uns den Vorwurf der Übereilung zu­zuziehen, dagegen über Gottes verborgene Gerichte, die wir in Ehrfurcht betrachten sollten, frech abzuurteilen?

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Zusammenfassung

  1. die Trägheit und Begrenztheit des menschlichen Verstandes erkennt nur zufällige Ereignisse, was eigentlich durch Gottes Plan erfolt
  2. in diesem Sinne werden die Begriffe „Schicksal“ und „Zufall“ in der Heiligen Schrift gebraucht, um damit alle Ereignisse zu beschreiben, die zufällig scheinen, die wir aber durch den Glauben als gottgewollt erkennen. (Gottes Freiheit über Dinge zu entscheiden kann man z.B. sehen, als er Christi schwache Knochen nicht brechen liess)

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Aber unser Geist erreicht in seiner Schwerfälligkeit die Höhe der Vorsehung Gottes nicht von ferne; und deshalb muß zu seiner Unterstützung eine Unterscheidung angewandt werden. Ich will mich also folgendermaßen ausdrücken: Obgleich alles durch Gottes Ratschluss in fest bestimmter Regelung geordnet ist, ist es doch für uns „zufällig“. Das bedeutet nicht, daß wir meinten, Welt und Menschen ständen unter der Herrschaft des Glücks und es rolle alles im Himmel und auf Erden zufällig ab – denn ein solcher Wahnwitz muß dem Herzen eines Christenmenschen fernbleiben! Aber weil die Ordnung, die Ursache, der Zweck und die Notwendigkeit der Ereignisse von der menschlichen Erkenntnis nicht begriffen werden, da sie größten­teils in Gottes Ratschluss verborgen sind, so ist das, was tatsächlich ganz gewiss aus Gottes Willen kommt, für uns gewissermaßen zufällig! Es ergibt sich kein anderes Bild, ob wir das alles hinsichtlich seiner eigenen Natur ansehen oder auch nach un­serem Verstehen und Urteilen betrachten. Stellen wir uns zum Beispiel einen Kauf­mann vor, der in Begleitung zuverlässiger Leute in einen Wald zieht, unvorsichtig von seinen Gefährten abkommt, auf seinem Irrwege in die Gewalt einer Räuberbande gerät und ermordet wird. Sein Tod war von Gottes Auge zuvor gesehen und auch durch seinen Ratschluss bestimmt. Denn es heißt nicht (nur), daß er eines jeden Menschen Lebenslänge vorher gesehen, sondern daß er Grenzen gesetzt und festgelegt habe, über die man nicht hinausgehen kann (Hiob 14,5). So­weit aber unser Verstand reicht, scheint das alles zufällig. Was soll da der Christenmensch denken? Er wird gewiss das, was einen solchen Todesfall veranlaßte, seiner Natur nach, wie es das ja tatsächlich ist, als zufällig erkennen, aber er wird dennoch nicht zweifeln, daß Gottes Vorsehung dabei die Führung gehabt hat, um den „Zufall“ zu ihrem Zweck zu leiten! Genau so sind auch die Zufälligkeiten der Zukunft anzusehen. Denn alles Zukünftige ist uns ungewiss, und darum lassen wir es unbestimmt, als ob es sich zu beiden Seiten neigen könnte. Aber trotzdem haben wir die feste Gewissheit im Herzen, daß nichts eintreten kann, das nicht der Herr schon vorgesehen hat!

In diesem Sinne braucht auch der Prediger mehrmals das Wort „Ausgang“ (Ende?); denn die Menschen können auf den ersten Blick nicht auf die letzte Ursache dringen, weil diese fern und verborgen ist. Und doch ist das, was die Schrift über Gottes verborgene Vorsehung lehrt, niemals derart aus den Herzen der Menschen vertilgt worden, daß nicht mitten im Dunkel immer noch einige Fünklein geblieben wären. So schreiben die Wahrsager der Philister, obwohl sie im Zweifel hin und her schwanken, das Unglück teils Gott, teils dem Glück zu: „Wenn die Lade auf dem ei­nen Wege geht, so wissen wir, daß es Gott ist, der uns das Übel getan hat, geht sie auf dem anderen, so ist es uns von ungefähr widerfahren“ (1. Sam. 6,9). Es ist gewiss töricht, daß sie, da ihnen die Weissagung fehlt, zum Zufall ihre Zuflucht nehmen; indessen merken wir doch, wie sie gezwungenermaßen nicht wagen, das ihnen widerfahrene Unglück für ganz zufällig zu halten. Übrigens können wir noch an ei­nem ganz klaren Beispiel sehen, wie Gott mit dem Zügel seiner Vorsehung alle Er­eignisse in der von ihm gewollten Weise lenkt: In dem nämlichen Zeitpunkt, wo David in der Wüste Maon überfallen wurde, brachen die Philister ins Land ein, und Saul mußte weichen! (1. Sam. 23,26f.). Da wollte Gott, um seinen Knecht zu erretten, dem Saul dieses Hindernis in den Weg legen – und so gewiss auch die Philister über alles Erwarten schnell zu den Waffen griffen, so können wir doch nicht sagen, das sei zufällig geschehen, sondern der Glaube wird anerkennen, daß das, was uns zufällig erscheint, tatsächlich Gottes geheimer Antrieb gewesen ist! Dieser Grundsatz tritt nicht immer so klar hervor; aber wir müssen doch festhalten, daß alle Veränderungen in der Welt als verborgene Wirkungen seiner Hand anzusehen sind. Was nun Gott beschlossen hat, das muß notwendig geschehen, auch wenn es an sich, aus seiner eigenen Natur heraus nicht notwendig ist. Ein bekanntes Beispiel haben wir an den Gebeinen Christi. Da er einen dem unseren gleichen Leib annahm, so wird kein vernünftiger Mensch bezweifeln, daß seine Gebeine zerbrechlich waren – und doch war es unmöglich, sie zu zerbrechen! (Joh. 19,33-36) Daraus können wir sehen, daß es nicht grundlos war, wenn man in der Schultheologie einen Unterschied zwischen bedingter (necessitas secundum quid) und absoluter Notwendigkeit (necessitas absoluta) gemacht oder dementsprechend zwischen solchen Geschehnissen, die sich bedingt notwendig (d.h. durch „Mittelursachen“ mitbestimmt) ergeben (necessitas consequentis), und solchen, die sich mit einer (auf Gottes Anordnung und Willen beruhenden) unbedingten Notwendigkeit (necessitas consequentiae) ereig­nen, unterschieden hat. Denn Gott wollte nicht, daß die Gebeine seines Sohnes wirk­lich zerbrochen wurden, hat sie aber doch (vermöge der Menschwerdung) der Zer­brechlichkeit unterworfen; so hat er also etwas, das von Natur geschehen konnte, unter die Notwendigkeit seines Ratschlusses beschränkt!

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Zusammenfassung

  1. falsche Anklage gegen die christliche Vorsehung, dass sie eine stoische Schicksalslehre sei (vgl. Augustinus)
    1. Stoa: Notwendigkeit liegt in der Abfolge von Ursache-Wirkung
    2. Christentum: ewige Beschlüsse Gottes werden durch seine Kontrolle ausgeführt
  2. der Zufall ist eine heidnische Vorstellung, das dem Christentum widerspricht, wie es Basilius der Grosse und Augustinus sagen

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Wer nun diese Lehre verhasst machen will, der lästert, sie sei eine Lehrmeinung der Stoiker (dogma Stoicorum), sie sei nichts anderes als die Lehre vom Schick­sal (fatum). Das ist einst schon dem Augustin vorgeworfen worden (Buch gegen zwei Briefe der Pelagianer, an Bonifacius, II,6). Obwohl ich nicht gern um Worte streite, so will ich doch den Ausdruck „Schicksal“ (fatum) nicht übernehmen; denn er gehört einerseits zu dem, was uns Paulus als „ungeistliches, loses Geschwätz“ (1. Tim. 6,20) meiden lehrt, und anderseits versucht man mit seiner Hilfe Gottes Wahrheit in ein schlechtes Licht zu stellen. Die Lehrmeinung (vom fatum) aber wirft man uns ganz fälschlich und in Bosheit vor! Denn wir reden nicht mit den Stoikern von der „Notwendigkeit“, die aus der stetigen Verflochtenheit der Ursachen (ex perpetuo causarum nexu) kommt und in einer festen Verbindung besteht, wie sie in der Natur enthalten ist. Wir reden im Gegenteil von Gott: der ist der Herrscher und Walter über alles, der hat in seiner Weisheit seit aller Ewigkeit festgelegt, was er tun will, und führt es nun in seiner Macht aus. Des­halb behaupten wir auch, daß seine Vorsehung nicht nur Himmel und Erde und die leblosen Dinge, sondern auch der Menschen Anschläge und Willen regiere, so daß sich alles nach dem von ihr bestimmten Ziele richten muß. Wieso nun, wird man fragen, geschieht wirklich nichts von ungefähr, wirklich nichts aus Zufall? Ich antworte dar­auf: Basilius der Große hat mit Recht gesagt, „Glück“ und „Zufall“ seien heid­nische Ausdrücke, mit deren Inhalt gottesfürchtige Leute nichts zu tun haben sollen. Denn wenn jeder Erfolg Gottes Segnung ist, jede Not und Widerwärtigkeit sein Fluch, dann bleibt jedenfalls hinsichtlich der menschlichen Geschicke für „Glück“ oder „Zufall“ kein Raum. Auch muß die Ausführung des Augustinus beherzigt wer­den: „Es verdrießt mich, daß ich in den Büchern gegen die Akademiker so oft den Ausdruck ‚Glück’ gebraucht habe, obwohl ich darunter nicht eine Göttin, sondern den zufälligen Ausgang der Dinge im äußeren Geschehen gemeint habe, er sei gut oder böse. Daher kommen denn auch jene Ausdrücke: ‚vielleicht, etwa, möglicherweise, wohl, zufällig’, die keine Religion zu brauchen verbietet. Und dabei muß doch alles ganz auf die göttliche Vorsehung bezogen werden. Das habe ich auch nicht verschwiegen, denn ich sagte ja vielleicht werde das, was man gemeinhin ‚Glück’ nennt, auch nach verborgener Ordnung gelenkt; und wir bezeichnen ja im Geschehen allgemein das als ‘Zufall’, dessen Grund und Ursache unbekannt ist. Das habe ich gesagt, aber es reut mich doch, den Ausdruck ‘Glück’ dabei angewandt zu haben; denn die Menschen haben, wie ich sehe, die üble Gewohnheit, da, wo man sagen müßte: ‘Gott hat es so gewollt’, tatsächlich zu sagen: ‘Das Glück hat es so gewollt’!“ (Retract. I,1). Auch lehrt Augustin durchweg, wenn man dem „Glück“ einen Einfluss verstatte, so sei die Welt dem blinden Zufall unterworfen. Nun lehrt er freilich zuvor an einer Stelle, es geschehe alles teils durch den freien Willen des Menschen, teils durch Gottes Vorsehung. Aber gleich darauf zeigt er dann doch, daß die Menschen der Vor­sehung Untertan seien und von ihr regiert würden, und stellt dabei den Grundsatz auf, der größte Widersinn sei die Behauptung, es geschehe irgend etwas ohne Gottes Anordnung; denn dann geschähe es ja ohne jegliche Ursache. Aus diesem Grunde schließt er auch jene Zufälligkeit (contingentia), die vom freien Willen des Menschen abhinge, aus, und sagt dann recht klar, man solle keinen Grund für Gottes Willen suchen. Oft erwähnt er zwar auch die „Zulassung“ (permissio); aber was dar­unter verstanden werden soll, wird aus einer Stelle ganz deutlich, wo er nämlich sagt, Gottes Wille sei der oberste und erste Grund für alles, nur auf seine Anord­nung oder Zulassung geschehe etwas (Verschiedene Fragen, 83; Von der Dreieinig­keit, III,4). Er denkt sich keinen Gott, der, wenn er etwas zulassen will, müßig und zögernd zuschaute; nein, es ist auch dabei sozusagen sein tätiger Wille (actualis voluntas) wirksam! Sonst konnte dieser ja gar nicht als Grund bezeichnet werden!

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Zusammenfassung

  1. Beispiele aus der Bibel
    1. Wind: keine Wind kann entstehen oder zunehmen, ausser aus Gottes ausdrücklichem Befehl
    2. Fähigkeit der Fortpflanzung
    3. Ernährung
  2. Gottes allgemeine Vorsehung
    1. die Ordnung der Natur besteht weiter
    2. ist für einen bestimmten und passenden Zweck angepasst

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Auch die einzelnen Ereignisse sind ganz allgemein Zeugnisse der „besonderen“ Vorsehung Gottes. Gott erweckte in der Wüste einen Ostwind, der dem Volke eine Menge Vögel zutrieb (Ex. 16,13). Als er den Jona ins Meer werfen wollte, da ließ er einen gewaltigen Sturmwind kommen (Jon. 1,4). Da werden nun die, welche nicht glauben, daß Gott die Weltregierung in seiner Hand habe, sagen, das sei eben außerhalb des gewöhnlichen Verlaufs vor sich gegangen. Ich dagegen ziehe daraus den Schluss, daß überhaupt nie ein Wind aufkommt oder losbricht ohne Gottes be­sonderen Befehl. Wenn er nicht Wolken und Winde nach seinem Wohlgefallen lenkte und an ihnen die besondere Gegenwärtigkeit seiner Kraft erwiese, dann wäre auch das Wort nicht wahr, er mache die Winde zu seinen Boten und Feuerflammen zu seinen Dienern, Wolken zu seinem Gefährt, und reite auf den Flügeln des Windes (Ps. 104,4). So empfangen wir auch an anderer Stelle die Lehre: wenn immer das Meer vom Brausen des Sturmwinds sich aufwühlt (Ps. 107,25.29), so bezeugt solches Ungestüm Gottes besondere Gegenwart. Er gebietet dem Wind, er erregt den Sturm und erhebt dir Wogen des Meeres, dann läßt er den Sturmwind stillestehen, so daß sich die Wellen legen. Auch an anderer Stelle hören wir, er habe das Volk mit brennenden Winden gegeißelt (Am. 4,9). Die Menschen haben gewiss von Na­tur die Fähigkeit in sich, Kinder zu zeugen; aber trotzdem will es Gott als Zeichen seiner besonderen Gnade angesehen haben, daß er die einen kinderlos läßt, die an­deren mit Nachkommen segnet; denn Leibesfrucht ist eine Gabe Gottes (Ps. 127,3). So sagt ja auch Jakob zu seinem Weibe: „Bin ich etwa Gott, daß ich dir Kinder gebe?“ (Gen. 30,2). Und um dies abzuschließen: Nichts gilt in der Welt als natür­licher, als daß wir mit Brot ernährt werden. Und doch sagt der Geist, nicht nur das Erzeugnis der Erde sei ein besonderes Geschenk Gottes, sondern auch: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ (Deut. 8,3); denn es nährt uns nicht die Sättigung selbst, sondern der verborgene Segen Gottes. So droht er ja auch anderseits, er werde des Brotes Nahrungskraft brechen (Jes. 3,1). Und die Bitte um das tägliche Brot könnte doch gar nicht ernst genommen werden, wenn uns nicht Gott mit väter­licher Hand die Speise darreichte! Deshalb sagt auch der Prophet, um die Gläubi­gen zu überzeugen, daß sich Gott bei ihrer Ernährung als der beste Hausvater er­weise, er gebe allem Fleische seine Nahrung (Ps. 136,25). Schließlich: wir hören auf der einen Seite: „Die Augen des Herrn merken auf die Gerechten, und seine Ohren auf ihr Schreien“ (Ps. 34,16), und dann auf der anderen: „Das Antlitz aber des Herrn steht wider die, so Böses tun, daß er ihr Gedächtnis ausrotte von der Erde“ (Ps. 34,17). Daraus sollen wir erkennen, daß alle Geschöpfe im Himmel und auf Erden ihm zum Dienste bereit sind, daß er sie braucht, wozu er will! Und dar­aus ergibt sich, daß nicht nur seine „allgemeine“ Vorsehung an der Kreatur wirk­sam ist, so daß er die Ordnung der Natur (ordo naturae) aufrechterhält, sondern daß die Kreatur nach Gottes wunderbaren Rat einem bestimmten und besonderen Zwecke dienstbar gemacht wird.