Posts Tagged ‘Religionen’

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Zusammenfassung

  1. Nicht nur Nationen, sondern auch einzelne Personen, haben sich in der Verblendung ihres Geistes eigene Götzen erdacht
  2. nicht nur die Ungebildete, sondern auch brillante Philosophen haben die schändliche Neigung, den Himmel zu durchdringen
    1. je ausgebildeter die Kunst oder das Wissen ist, desto getarnter sind die erdachten Götzen
    2. kein Sterblicher hat je etwas anderes erdacht, als was die Religion noch mehr verdorben hat; sei es die Stoiker oder die alten Ägypter
    3. die daraus entstandenen unausweichlichen Meinungsverschiedenheiten über persönliche Missverständnisse über Gott liessen die Epikureer und andere Gottlosen die Schlussfolgerung ziehen, dass man Gott besser aus der Diskussion schliessen sollte.
  3. es scheint, dass wenn die Menschen nur aufgrund von Beobachtungen der Natur von Gott lernen sollten, so wäre keine sichere, solide oder eindeutige Erkenntnis Gottes möglich, denn nur wirre Prinzipien über einen an sich unbekannten Gott

Text

Daher kommt auch der ungeheure Schlamm von Irrtümern, der die ganze Welt bedeckt und erfüllt. Denn einem jeglichen ist sein Verstand wie ein Labyrinth, und es ist deshalb kein Wunder, daß die einzelnen Völker je in ihre besonderen Irrtümer verfallen sind, ja daß es dabei nicht bleibt, sondern gar einzelne Menschen sich ihre eigenen Götter gemacht haben. Es gesellte sich ja zur Unwissenheit und Verfinsterung die Keckheit und der Mutwille, und deshalb ist kaum einer zu finden, der sich nicht an Stelle Gottes ein Götzenbild oder ein Gespenst gemacht hätte! Wie aus einer großen und weiten Quelle die Wasser hervorbrechen, so fließt auch die unmeßbare Menge der Götter aus dem Menschenherzen hervor, indem jeder in seiner Ausschweifung bald dies, bald jenes Gott freventlich andichtet. Trotzdem ist es hier überflüssig, all die Torheiten aufzuzählen, deren die Welt voll ist. Es wäre ja doch an kein Ende zu kommen, und es ist ja bei soviel Verderbnis auch ohne Worte die Blindheit des Menschenherzens in ihrer ganzen Furchtbarkeit deutlich. Dabei übergehe ich die unge­bildeten und ungelehrten Leute. Aber was für eine beschämende Verwirrung herrscht selbst unter den Philosophen, die sich mit ihrer Weisheit und Vernunft bis in den Himmel zu schwingen unterstanden! Je mehr Verstand einer besaß, je mehr ihn Kunst und Wissenschaft gebildet hatten, desto mehr wußte er mit schönen Farben seine Meinung auszuschmücken. Sieht man sich aber all diese Farben an, so sind sie bloß Schminke, ohne Bestand. Die Stoiker kamen sich scharfsinnig vor mit ihrer Auf­fassung, man könnte aus den einzelnen Teilen der Natur verschiedene Namen Gottes herauslesen, und Gottes Einheit würde dadurch doch nicht zerrissen! Als ob wir nicht ohnehin übrig genug zum Wahn geneigt wären und es noch einer Menge Götter bedürfte, um uns tiefer in den Irrtum zu verflechten! Auch die Geheimtheologie der Ägypter zeigt, wie sie sich alle die größte Mühe geben, um den Anschein zu vermeiden, als ob sie ohne Grund unsinnig wären! Gewiß möchte manches den Einfältigen und Gedankenlosen auf den ersten Blick wahrscheinlich vorkommen und sie täuschen. Aber kein Sterblicher hat je etwas ausgedacht, wodurch die Verehrung Gottes nicht schändlich verderbt worden wäre. Dieses verwirrte Durcheinander der Meinungen gab dann den Epikuräern und anderen groben Verächtern der Religion willkommenen Anlaß, jedes Gefühl für Gott frech von sich zu werfen. Sie gewahrten, wie alle, auch die klügsten, zu völlig entgegengesetzten Meinungen kamen, und so zogen sie aus deren Streitereien und auch aus der leichtsinnigen und abgeschmackten Lehre jedes einzelnen alsbald den Schluß, der Mensch bereite sich nur unnütze Qual, wenn er sich auf die Suche nach Gott begebe, der doch gar nicht existiere. Und sie glaubten das auch ungestraft tun zu können, weil es doch besser sei, Gottes Dasein kurzerhand zu leugnen, als sich ungewisse Götter auszudenken und sich damit in endlose Zankerei zu verwickeln. Aber diese Leute urteilen doch reichlich töricht, ja vielmehr: sie suchen ihre Gottlosigkeit mit dem Hinweis auf die menschliche Unwissenheit zu vernebeln — wo doch Gott durch solche Unwissenheit wahrhaftig nichts abgehen darf! Wenn man allgemein zugibt, daß die Gelehrten wie die Ungelehrten über nichts mehr im Zwiespalt sind als über diese Fragen, so ziehen wir daraus den Schluß: des Men­schen Geist, der beim Suchen Gottes derart in die Irre gerät, ist den göttlichen Ge­heimnissen gegenüber mehr als schwachsichtig und blind! Freilich lobt man die Ant­wort, die Simonides dem Tyrannen Hiero gab. Als dieser ihn fragte, was Gott sei, da erbat er sich zuerst einen Tag Zeit zum Nachdenken. Als am anderen Tag der Tyrann seine Frage wiederholte, da erbat er sich zwei Tage, und so mit jedem wei­teren Tag stets die doppelte Anzahl Tage als Zeit zum Überlegen. Schließlich gab er dann doch eine Antwort: „Je länger ich über diese Frage nachdenke, desto dunkler er­scheint sie mir.“ Es war klug gehandelt, daß der Mann die Antwort auf eine ihm selbst dunkle Frage aufschob. Aber es wird eben dies deutlich dabei: wenn der Mensch bloß seiner natürlichen Erkenntnis folgt, so kommt nichts Gewisses, nichts Festes, nichts Deutliches dabei heraus, sondern er ist in verworrenen Begriffen befangen, so daß er einen unbekannten Gott anbetet.

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17
Sep

Die Heuchlerei (Institutio 1-04-04)

   Posted by: Didier    in Buch 1, Buch 1 Kapitel 04, Institutio

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Zusammenfassung:

  1. Es ist eine falsche Religion, die sich nur auf der knechtischen, zwanghaften Angst vor Gottes Gericht begründet
    1. solche gottlosen Leute wollen eigentlich Gott und sein Gericht weg haben
    2. weil sie sich bewusst sind, dass sie Gott nicht wegzaubern können, praktizieren sie eine Scheinreligion
    3. trotz ihrer gespielten Angst führen sie doch ein zügelloses Leben
  2. Unterschied zwischen wahrer und falscher Gottesfurcht
    1. rebellisch in ihrem Herzen, spielen sie einen falschen Gehorsam Gott gegenüber durch armselige Opfergaben und hochgespielten Gehorsam, doch ist ihr Leben voller Sittenlosigkeit
    2. ihr Vertrauen liegt nicht in Gott, ihrem Schöpfer, sondern in ihnen selbst, den Geschöpfen
    3. die Folge ist geistliche Blindheit: das angeborene Wissen über Gottes Existenz, dass, obwohl nicht verloren, doch völlig verdorben ist
    4. Zusammenfassend: die von Natur angeborene Kenntnis über Gott wird gerade durch die widerwilligen und oberflächlichen Gebete der Gottlosen in schweren Zeiten ersichtlich; doch ihre Verbohrtheit hindert sie, dass sie die wahren Religion erkennen können.

Text:

Dazu kommt nun noch eine weitere Sünde: Man macht sich nur noch unter Zwang Gedanken über Gott, sucht seine Nähe nur widerstrebend, genötigt. Und auch dann kommt es nicht zu freiwilliger Gottesfurcht, wie sie die Achtung vor Gottes Maje­stät mit sich bringt, sondern bloß zu knechtischer, erzwungener Angst vor Gottes Gericht: dem kann man nicht entgehen, erschrickt aber vor ihm und will nichts mit ihm zu tun haben. So paßt auf die Gottlosigkeit, und auf diese allein, der Aus­spruch des Statius, die Furcht habe zuerst in der Welt Götter gemacht. Wer sein Herz von der Gerechtigkeit Gottes abwendet, der weiß zwar, daß ein Gericht besteht, die Gesetzesübertretung zu ahnden, aber er wünscht um so mehr, dies Gericht möchte zunichte werden. Das ist die Gesinnung, aus der man gegen Gott Krieg führt, der doch ohne Gericht nicht sein kann. Da man aber doch gewahrt, daß Gottes Macht unab­wendbar droht — denn man kann sie nicht beiseiteschieben noch ihr entlaufen! —, so gerät man vor ihr ins Zittern. Man möchte nun gewiß nicht den Anschein erwecken, als ob man Gott verachte, dessen Majestät einen doch bedrängt, und deshalb verrichtet man äußerlich allerlei religiöses Scheinwerk, hört aber unterdessen keineswegs auf, sich mit allen Lastern zu beflecken, Schande auf Schande zu wälzen, bis man das hei­lige Gesetz des Herrn in jeder Beziehung verletzt und seine Gerechtigkeit gänzlich aufgelöst hat. Jedenfalls bietet jene vorgetäuschte Gottesfurcht keinerlei Hemmnis dagegen, daß man sich in seinen Sünden richtig wohlfühlt, sich in ihnen gefällt und lieber der Zügellosigkeit des eigenen Fleisches sich hingibt, als der Zucht des Heiligen Geistes zu gehorchen! Aber dies ist ja alles ein leerer und verlogener Schein der Religion, kaum gar des Namens „Schein“ würdig; und so kann man gerade hier wiederum leicht wahrnehmen, wie sehr sich die Frömmigkeit, die allein im Herzen der Gläubigen wohnt und aus der erst die wahre Religion geboren wird, von diesem wirren Wissen um Gott unterscheidet. Und doch wollen solche Heuchler auf Schleich­wegen erreichen, daß sie Gott, vor dem sie doch auf der Flucht sind, nahe scheinen. Ihr ganzes Leben lang sollten sie ihm ohne Unterlaß gehorsam sein; aber statt dessen trotzen sie ihm unerschrocken fast in all ihrem Tun und versuchen ihn nur durch ein paar Opfer zu versöhnen! In Heiligkeit des Lebens und Reinheit des Herzens sollten sie ihm dienen; aber statt dessen erdichten sie sich läppisches Possenzeug und nichtige Dienstlein, mit denen sie sein Wohlgefallen erwerben möchten! Ja sie versenken sich um so kecker in ihren Schlamm, weil sie wähnen, mit lächerlichen Bußübungen mit Gott ins reine zu kommen. Endlich: all ihr Vertrauen sollten sie auf ihn richten, und statt dessen setzen sie ihn beiseite und gründen ihr Vertrauen auf sich selbst oder die Kreaturen! Zum Schluß verwickeln sie sich dermaßen in allerlei Irrtum, daß ihre finstere Bosheit jene Funken auslöscht und gar erstickt, die zur Erkenntnis der Herr­lichkeit Gottes aufleuchteten. Und trotzdem lebt jener Keim, der auf keine Weise gänzlich auszurotten ist, jene Ahnung, es sei irgendein göttliches Wesen. Aber dieser Keim ist selbst so verderbt, daß er nur die schlechtesten Früchte erzeugt.

So erweist sich nur desto klarer die Richtigkeit meiner Behauptung, es sei von Natur dem Menschenherzen ein Empfinden von Gott eingemeißelt. Erzwingt doch die Notwendigkeit auch von den Gottlosen deren Anerkennung! Im ungestörten Glück spotten sie Gottes, sind Kläffer und Schwätzer, um seine Macht zu verkleinern. Aber wenn die Verzweiflung sie quält, dann drängt sie sie, Gott zu suchen, und gibt ihnen Stoßgebete ein — woraus dann deutlich wird, daß sie gar nicht gänzlich ohne Kunde von Gott sind, daß sie aber in Bosheit unterdrückt haben, was längst in ihnen hätte emporkommen sollen!

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Zusammenfassung:

  1. ungenaue und fehlerhafte Ansichten über das Göttliche ist Unwissenheit über Gott
    1. nicht irgendeine Religion genügt, sondern nur die wahre Religion
    2. Gott ist kein Gespenst, dass man sich nach eigenen Wünschen vorstellen darf
    3. beim Aberglauben wird der wahre Gottesdienst abgelehnt und man zieht es vor, das Produkt der  eigenen Vorstellung anzubeten
    4. wenn du Gott aufgibt, so hast du nur einen verhassten Götzen verlassen
  2. daher, keine Religion ist echt, wenn sie nicht mit Wahrheit verbunden ist

Text:

So verschwindet auch die eitle Beschönigung, die einige Menschen ihrem Aber­glauben zu gewähren pflegen. Sie bilden sich nämlich ein, es sei schon genug, wenn der Mensch sich irgendwie um die Religion bemühe, auch wenn dieses Bemühen noch so unsinnig sei. Dabei bedenken sie nicht, daß die wahre Religion dem Willen und Wink Gottes als einer unwandelbaren Richtschnur angemessen sein muß! Denn Gott bleibt sich immer gleich. Er ist doch kein Gespenst, kein Phantasiegebilde, das sich jeder nach eigenem Dünken gestalten könnte: Und es ist ja auch augenfällig, mit was für lügnerischen Trugbildern der Aberglaube Gottes spottet, gerade wenn er ihm am eifrigsten dienen will. Denn er nimmt das auf, woran Gott nach seinem eigenen Zeugnis gar nichts liegt; was er aber verordnet hat und was ihm wohl­gefällt, das verachtet er oder verwirft es gar unzweideutig. Denn wer einen selbstersonnenen Gottesdienst einrichtet, der treibt Dienst und Anbetung seines eigenen Hirngespinstes. Er würde nämlich gar nicht wagen, mit Gott auf solche Weise Possen zu treiben, wenn er nicht zuvor einen Gott erdacht hätte, der seiner freventlichen Narretei entspräche! Deshalb erklärt der Apostel eine solche schwankende und irrige Meinung von Gott für Unkenntnis Gottes: „Zu der Zeit, da ihr Gott nicht erkann­tet, dientet ihr denen, die von Natur nicht Götter sind“ (Gal. 4,8); oder an anderer Stelle sagt er von den Ephesern, sie seien zu der Zeit, wo sie abseits von der rechten Gotteserkenntnis gelebt hätten, „ohne Gott“ gewesen (Eph. 2,12). Bei solchem Zu­stande verschlägt es nun wenig, ob man sich bloß einen einzigen Gott erdichtet oder mehrere. Denn die Entfernung und der Abfall von Gott sind Tatsache, und wenn man ihn verlassen hat, so bleibt nichts übrig als ein greuliches Götzenbild. Wir kön­nen zum Schluß nur mit Lactantius feststellen: keine Religion ist die rechte, die nicht mit der Wahrheit im Bunde steht.

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Zusammenfassung:

  1. Einige behaupten, dass Religion willkürlich durch spitzfindige gottlose Menschen erfunden wurden, womit man nur die Leichtgläubige unterjochen wollten
  2. Jedoch wäre dies nicht möglich, wenn
    1. es nicht schon ein natürliches Bewusstsein der Gottheit in den Köpfen der einfachen Leute vorhanden ist
    2. die listigen Mensch selbst keine Ahnung der Religion haben
  3. Nachweise der Religion gibt es selbst bei den gotttlosesten Menschen
    1. Menschen wenden sich zur Religion wenn sie unter Stress oder grosser Angst sind (z.B. Gaius Caligula)
    2. wie Alkoholsüchtige oder Wahnsinnige sind sie unruhig in ihren Schlaf
    3. während die Intensität des Gottesbewusstsein variiert, so ist sie nie vollständig abwesend

Text:

Darum ist es das denkbar hohlste Gerede, einige wenige Menschen hätten in Arg­list und Spitzfindigkeit die Religion erdacht, um das einfältige Volk in Zucht zu halten, während sie doch zwar andere zur Gottesverehrung gebracht, aber selbst nicht von ferne daran gedacht hätten, an das Dasein eines Gottes zu glauben. Nun gebe ich zwar zu, daß verschlagene Menschen sehr viel Religiöses ersonnen haben, um das unwissende Volk in Furcht und Schrecken zu jagen und es dadurch gefügiger zu machen. Aber das hätten sie gar nicht fertiggebracht, wenn nicht zuvor die Menschen­herzen von jener Überzeugung vom Dasein Gottes ergriffen gewesen wären, aus der wie aus einem Keim der Hang zur Religion hervorkommt. Es kommt mir aber auch nicht glaubhaft vor, daß diese Betrüger, die unter der Maske der Religion das Volk hinterlistig anführten, wirklich gar keine Kenntnis von Gott gehabt hät­ten. Gewiß hat es früher einige Menschen gegeben, die Gottes Dasein leugneten; und heute treten wieder nicht wenige auf, die das tun. Aber ob sie wollen oder nicht: was sie so gerne nicht wissen möchten, das drängt sich ihnen doch auf! Es hat wohl nie ein Mensch die Verachtung der Gottheit verwegener und gehässiger getrieben als Cajus Caligula. Aber keiner geriet auch jämmerlicher ans Zittern, wenn irgendein Anzeichen göttlichen Zorns auftrat. So hatte er gegen seinen Willen Angst vor dem Gott, den er doch mit entschlossenem Vorsatz verachten wollte! So geschieht es allen seinesgleichen: mag einer noch so ein verwegener Verächter Gottes sein — um so mehr schreckt ihn das Rascheln eines niederfallenden Blattes! Was ist das anders als Vergeltungstat göttlicher Majestät, die das Gewissen solcher Menschen um so heftiger erschüttert, je mehr sie ihr zu entgehen suchen? Nach allen Schlupfwinkeln sehen sie sich um, nur um der Gegenwart des Herrn zu entfliehen und sie aus ihrem Herzen zu tilgen. Aber mögen sie wollen oder nicht: sie bleiben stets wie in einem Netz verstrickt. Mag auch das Wissen um Gott eine Zeitlang verschwunden scheinen — bald bricht es doch wieder auf und überfallt sie mit neuer Wucht! Kommt es einmal zu einem Schweigen der Gewissensangst, so ähnelt doch dieser Zustand dem Schlaf von Trunkenen oder Geistesgestörten, die nicht einmal im Schlafe Frieden finden können, weil sie immerzu von grausigen und schreckhaften Träumen gequält werden. So sind auch die Gottlosen ein Beispiel und Zeugnis dafür, daß stets im Herzen der Menschen etwas wie ein Wissen um Gott (aliqua Dei notio) kräftig ist.

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Zusammenfassung:

  1. Die Gotteserkenntnis ist allgemeingültig
    1. ist in allen Menschen durch den natürlichen Instinkt gegeben
    2. macht das Verfehlen der Gottesverehrung unentschuldbar
    3. findet sich selbst bei den barbarischsten Völkern
    4. gab es bei allen Menschen aller Zeitepochen
  2. Götzendienst ist ein Beweis der Allgemeingültigkeit
    1. Kein Mensch erniedrigt sich freiwillig vor etwas
    2. Die Verehrung von Statuen aus Holz und Stein ist daher Beweis des intensiven und unauslöschlichen Eindruckes des Göttlichen

Text:

Daß der menschliche Geist durch natürliches Ahnvermögen eine Art Empfindung für die Gottheit besitzt, steht für uns außer allem Streit. Denn Gott selbst hat allen Menschen eine Kenntnis seiner Gottheit zu eigen gemacht, damit ja niemand den Vorwand der Unwissenheit als Entschuldigung anführe. Diese Kenntnis frischt er stets auf und benetzt sie mit neuen Tröpflein. Und wenn die Menschen doch alle miteinander darum wissen, daß ein Gott sei und daß er ihr Schöpfer ist, so sollen sie sich durch ihr eigenes Zeugnis verdammen, weil sie ihm keinen Dienst erweisen und seinem Willen ihr Leben nicht zum Opfer darbringen. Sollte irgendwo solches Wissen um Gott nicht vorhanden sein, so könnte das am ehesten noch unter den wildesten Völkern vor­kommen, die von der menschlichen Gesittung am weitesten entfernt sind. Aber, wie schon ein heidnischer Denker sagt: kein Volk ist so barbarisch, kein Stamm so ver­wildert, daß nicht die Überzeugung fest eingewurzelt wäre: es ist ein Gott. (Cicero, De natura Deorum, I,16,43). Völker, die sich in ihrem sonstigen Lebensstande kaum von den Tieren abzuheben scheinen, behalten doch stets wenigstens eine Art Keim der Religion (semen religionis). So sehr hat jene gemeinsame Ahnung alle Herzen durch­drungen, so fest wurzelt sie in allen Gemütern. Da also feit Anbeginn der Welt kein Gebiet, keine Stadt, ja nicht ein Haus war, das der Religion entbehren konnte, so liegt in dieser Tatsache ein stillschweigendes Eingeständnis, daß in alle Herzen ein Empfinden um die Gottheit eingeschrieben ist.

Selbst der Götzendienst ist ein vielsagender Beweis für die damit empfangene Anlage (conceptio). Wir wissen nämlich, wie ungern sich der Mensch erniedrigt und andere Geschöpfe über sich stellt. Wenn er nun aber lieber ein Stück Holz oder einen Stein anbetet, als den Anschein zu erwecken, er habe keinen Gott, so ist offenbar der Eindruck vom Dasein der Gottheit von derartiger Wucht, daß es leichter ist, den natürlichen Trieb zu brechen, als diesen Eindruck aus der Seele zu reißen. Es kommt ja tatsächlich vor, daß der natürliche Trieb zerbricht, nämlich wenn ein Mensch sich von seinem angeborenen Hochmut freiwillig unter widerwärtigste Dinge erniedrigt, nur um einen Gott zu verehren.

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