Archive for the ‘Buch 1’ Category

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Zusammenfassung

  1. auf Grund unserer Begrenztheit und Schwachheit unseres Verstandes können wir nicht begreifen, was Gott an sich ist
  2. daher offenbart Gott sich uns nicht wie er an sich ist, sondern wie er uns sich zu offenbaren geben will
  3. Gefühle, Umkehr und ähnliche menschliche Eigenschaften, die Reue erfordern, sollte Gott nicht angedichtet werden, der doch über allem steht; jedoch dem Mensch, der mit sich nicht zufrieden ist.
  4. daher bleibt Gottes Plan in alle Ewigkeit unveränderlich.

Text

Was bedeutet nun also der Ausdruck „Reue“? Sicherlich nichts anderes als all die anderen Redeformen, die uns Gott nach Menschenweise beschreiben. Weil nämlich unsere Schwachheit nicht zu seiner Höhe empordringt, so muß die Beschreibung sei­nes Wesens, die uns zuteil wird, unserer Fassungskraft angepasst sein, um von uns begriffen zu werden. Das geschieht aber so, daß er sich uns darstellt, nicht wie er an sich selber ist, sondern wie er von uns erfahren wird. So ist er frei von aller inne­ren Erschütterung durch Leidenschaft – und bezeugt doch, daß er den Sündern zürnt! Wenn wir also hören, daß Gott zürnt, so müssen wir uns dabei nicht eine Erregung in ihm selber vorstellen; wir müssen vielmehr bedenken, daß diese Redeweise aus un­serer Erfahrung genommen ist, weil uns ja Gott dem Anschein nach als Entrüsteter und Zorniger begegnet, sooft er sein Gericht vollzieht. So dürfen wir auch unter dem Wort „Reue“ nichts anderes verstehen als eine Abänderung seiner Werke und Taten; denn die Menschen bezeugen ja, indem sie ihre Taten abändern, daß sie ihnen missfallen. Jede Abänderung ist unter Menschen die Verbesserung einer Sache, die Missfallen erregt; diese Verbesserung aber kommt aus Reue; und so will der Ausdruck „Reue“ besagen: Gott ändert etwas an seinen Werken! Unterdessen aber wird weder sein Ratschluss noch sein Wille verändert, noch seine Neigung (affectus) verwandelt; sondern was er von Ewigkeit her vorgesehen, für richtig befunden und beschlossen hat, das führt er in stetem Gleichmaße durch, so jähen Wechsel der Mensch auch vor Augen haben mag!

12
Feb

Von der „Reue“ Gottes (Institutio 1-17-12)

   Posted by: Didier Tags:

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Zusammenfassung

  1. die „Gotte reute es“ Stellen im Alten Testament lassen einige folgern, dass Gott nicht durch ewige Beschlüsse die Menschengeschicke bestimmt hat, sondern das als gut und gerecht erachtet, was sich an jenem Moment ereignet.
  2. Gott wird nicht nur der Reue beschuldigt, sondern auch der Unwissenheit, des Fehlers oder der Ohnmacht
  3. einige Bibelstellen, die von Gottes Reue sprechen, handeln auch von seiner Unveränderlichkeit jenseits aller Reue

Text

Über die Vorsehung Gottes ist damit an sich genug gesagt. Freilich nur soviel, wie es zur sicheren Unterweisung und zum Trost der Gläubigen von Nutzen ist; denn, um die Neugier eitler Menschen zu befriedigen, kann nichts ausreichen, und es ist auch nicht einmal zu wünschen, daß es geschähe! – Aber es gibt einige wenige Stel­len, die den Eindruck zu erwecken scheinen, der Ratschluss Gottes sei – gegen das, was wir oben ausführten – doch nicht beständig fest und unabänderlich, sondern entsprechend den Verhältnissen untergeordneter Dinge veränderlich. Da wird zunächst zuweilen die Reue Gottes erwähnt. So hat es ihn „gereut, daß er den Menschen gemacht hatte“ (Gen. 6,6), daß er Saul zur Königsherrschaft erhoben hatte (1. Sam. 15,11). Oder es reute ihn das Übel, das er seinem Volke zuzufügen beschlossen, sobald er bei ihm irgendwelche Umkehr gewahrte (Jer. 18,8). Ferner hören wir gelegentlich, wie er seine Beschlüsse ändert. So hatte er durch Jona den Niniviten angedroht, Ninive werde nach Ablauf von vierzig Tagen zugrunde gehen, ließ sich aber alsbald durch deren Buße zu einem milderen Spruch bewegen (Jona 3,4.10). So hatte er dem Hiskia durch den Mund des Jesaja den Tod ankündigen las­sen; aber des Königs Tränen und Gebete bewogen ihn dann doch, den Tod hinaus­zuschieben (Jes. 38,1.5; 2. Kön. 20,1.5).

Von hier aus schließen nun manche, Gott habe gar nicht in ewigem Beschluss die menschlichen Geschicke bestimmt, sondern er entscheide nach eines jeden Verdienst, oder je, wie er es für billig und gerecht hält, über die einzelnen Jahre, Tage und Stun­den bald so, bald anders!

Was die Reue betrifft, so kann diese Gott ebenso wenig beigelegt werden wie etwa die Unwissenheit, der Irrtum oder die Machtlosigkeit. Denn es begibt sich keiner mit Wissen und Wollen in die Notwendigkeit, eine Sache zu bereuen; wir könnten also Gott die Reue nicht beimessen, ohne zugleich zu sagen, er wisse die Zukunft nicht, oder er könne ihr nicht entgehen, oder er stürze sich aufs Geratewohl und unbedacht in einen Beschluss hinein, der ihn gleich darauf reue. Das aber liegt vom Sinn des Heiligen Geistes soweit ab, daß dieser gerade in einem Zusammenhang, wo solche „Reue“ Gottes erwähnt wird (1. Sam. 15,11!), doch leugnet, Gott könne sich von der Reue leiten lassen, weil er doch nicht ein Mensch ist, den etwas gereue (1. Sam. 15,29). Es ist da zu beachten, wie in dem gleichen Kapitel beide Aus­sagen so verbunden sind, daß wir merken, wie hier ein Vergleich vorliegt, der den Anschein des Widerspruchs ausgezeichnet behebt. Es ist eine bildliche Darstellung der eingetretenen Veränderung, wenn wir hören, daß es Gott „reue“, den Saul zum Kö­nig gemacht zu haben. Gleich darauf heißt es dann auch: „Der Starke in Israel lügt nicht, und ihn bringt nicht Reue von seinem Weg; denn er ist kein Mensch, daß ihn etwas gereue.“ In diesen Worten wird offen, ohne Bild, Gottes Unveränderlichkeit behauptet. So ist also Gottes Anordnung in der Leitung der Menschengeschicke gewiss dauernd und über alle Reue erhaben. Und damit seine Beständigkeit außer Zweifel stehe, wurden selbst seine Feinde gezwungen, sie zu bezeugen. Denn Bileam mußte, obwohl wider Willen, in die Worte ausbrechen: „Denn Gott ist nicht ein Mensch, daß er lüge, noch eines Menschen Kind, daß er sich wandle. Sollte er etwas sagen und nicht tun? Sollte er etwas reden und nicht halten?“ (Num. 23,19; nicht ganz Luthertext).

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Zusammenfassung

  1. die göttliche Vorsehung befreit uns von Furcht und Angst und gibt uns Trost und Zuversicht
  2. die Vorsehung lehrt uns, dass selbst der Teufel und seine Engel sich Gottes Macht nicht entziehen können (Beispiele in der Bibel)
  3. Unwissenheit der Vorsehung ist der Gipfel des Elendes; die Kenntnis der Vorsehung ist die höchste Seligkeit

Text

Aber sobald das Licht der göttlichen Vorsehung einem frommen Menschen auf­geht, wird er nicht nur von jener furchtbarsten Not und Furcht, die ihn zuvor drückte, sondern von aller Sorge befreit und erlöst. Denn wie er mit Recht vor dem „Zufall“ Schauder empfindet, so wagt er sich nun Gott in Gewissheit anzuver­trauen. Das ist eben, sage ich, der Trost, daß er erkennt: der himmlische Vater hält mit seiner Macht alles zusammen, regiert alles mit seinem Befehl und Wink, ordnet alles mit seiner Weisheit, so daß nichts vorfällt ohne seine Bestimmung. Das ist der Trost, daß der Glaubende, seinem Schutz übergeben, der Fürsorge der Engel an­vertraut, nun weiß: kein Schaden von Wasser, Feuer oder Schwert kann ihn an­tasten, als nur soweit es Gott, der im Regimente sitzt, gefallen hat, ihnen Raum zu geben. So singt doch der Psalm: „Er errettet dich vom Strick des Jägers und von der schädlichen Pestilenz. Er wird dich mit seinen Fittichen decken, und deine Zu­versicht wird sein unter seinen Flügeln; seine Wahrheit ist Schirm und Schild, daß du nicht erschrecken mögest vor dem Grauen der Nacht, vor den Pfeilen, die des Ta­ges fliegen, vor der Pestilenz, die im Finsteren schleicht, vor der Seuche, die am Mittag verderbt“ (Ps. 91,3ff.). Daher haben die Heiligen solche frohlockende Zu­versicht: „Der Herr ist mit mir, darum fürchte ich mich nicht, was können mir Men­schen tun? Der Herr ist mein Helfer, warum sollte ich zittern? Wenn sich schon ein Heer wider mich legt, wenn ich auch mitten im Schatten des Todes wandle, so will ich doch nicht aufhören, zu hoffen“ (Ps. 118,6; 27,3; 56,5 u.a. St.). Woher haben sie, frage ich, diese unerschütterliche Gewissheit? Daher, daß sie, wo doch dem An­schein nach die Welt vom Zufall bewegt wird, doch wissen, daß der Herr überall am Werk ist, und zuversichtlich glauben, sein Werk werde ihnen heilsam sein! Wird ihr Heil vom Teufel oder von verruchten Menschen bedroht, so mußten sie sogleich zusammensinken, wenn nicht die Erinnerung und der Gedanke an die Vorsehung sie aufrechterhielte. Aber gewaltigen Trost empfangen sie, wenn sie daran denken: der Teufel mit der ganzen Rotte der Gottlosen wird ja von allen Seiten von Gottes Hand wie am Zügel gehalten; er kann deshalb gegen uns gar keine Übeltat beschlie­ßen, noch das Geplante ins Werk setzen, noch mit äußerster Anstrengung auch nur einen Finger rühren, um es durchzuführen, sofern Gott es nicht erlaubt, ja soweit er es ihm nicht aufgetragen hat; er liegt ja in seinen Banden gefesselt, wird mit dem Zaum gezwungen, ihm Gehorsam zu leisten! Denn wie es bei dem Herrn steht, der Wut der Feinde Waffen zu geben, sie zu wenden und zu lenken, wohin er will, so setzt er auch Maß und Ziel, damit sie nicht nach ihrer Lust ungebändigt losbrechen! Auf dieser Gewissheit beruht es, wenn Paulus von einer Reise an der einen Stelle sagt, sie sei vom Satan verhindert worden, und an der anderen, sie sei von Gottes Zulassung abhängig (1. Thess. 2,18; 1. Kor. 16,7). Hätte er bloß geschrie­ben, das Hindernis sei vom Satan gewesen, so hätte er scheinbar dem Satan zuviel Macht beigemessen, als ob es gar in dessen Hand stünde, Gottes Pläne zunichte zu machen; nun aber stellt er fest, daß Gott der Herrscher ist, von dessen Zulassung alle Wege abhängen, und zeigt damit: der Satan kann nur auf seinen Wink etwas erreichen, was er auch ins Werk setzen mag! Ebenso denkt David, wenn er sich an­gesichts der vielerlei Wechselfälle, von denen das Menschenleben immerzu gewendet und wie ein Rad gedreht wird, sich auf diese Zuflucht zurückzieht: „Meine Zeiten stehn in deinen Händen“ (Ps. 31,16). Er konnte gewiss auch „Lebenslauf“ sagen oder „Zeit“ in der Einzahl setzen; aber mit dem Ausdruck „Zeiten“ wollte er zeigen, daß, wie unbeständig auch die Lage des Menschen sei, aller Wechsel, der vorkommen mag, doch von Gott her gelenkt wird. Deshalb werden auch Rezin und der König von Israel, die mit ihren zur Vernichtung Judas verbundenen Streitkräften wie bren­nende Fackeln erschienen, das Land zu verderben und zu verzehren, von dem Propheten rauchende Feuerbrände genannt, die bloß ein wenig Rauch ausstoßen können (Jes. 7,4). So wird gar der Pharao, der doch durch Macht, Stärke und Heeres­größe allen furchtbar war, mit einem Meerungeheuer und sein Heer mit Fischen verglichen (Ez. 29,4). Und Gott kündigt an, er werde den Anführer und das Heer mit der Angel fangen und es ziehen, wohin er wolle. Kurzum, ich will mich nicht länger damit aufhalten; man kann es leicht durchschauen, wenn man es betrachtet: das schlimmste Elend ist es, die Vorsehung nicht zu kennen, das höchste Glück aber, von ihr Kunde zu haben.

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Zusammenfassung

  1. die Gefahr von unzähligen Missgeschicken begegnet uns an allen Ecken, selbst wenn sie nur sehr selten sind, oder wenigstens nicht für alle oder zur gleichen Zeit
  2. was für ein armseliges Leben des Bangens müssten wir ertragen, wenn wir vom blinden Schicksal hin und her geworfen würden.

Text

Hier aber bewährt sich das unbeschreibliche Glück eines frommen Herzens. Un­zählig sind die Übel, die unser menschliches Leben belagern, stets lauert in ihnen der Tod. Wir brauchen nicht über uns hinauszugehen: unser Leib ist ein Nest von tau­send Krankheiten, und wie viel Krankheitsursachen trägt und nährt er in sich! Der Mensch kann sich nicht regen, ohne in vielerlei Gestalt sein Verderben in sich zu tra­gen, und er führt sein Leben sozusagen stets verwoben mit dem Tod! Wie soll man es anders ausdrücken – wo er doch ohne Gefahr weder Frost noch Schweiß erträgt? Und wohin man sich auch wendet: alles, was uns umgibt, ist nicht nur von zweifel­hafter Zuverlässigkeit, sondern steht uns schier mit offener Drohung gegenüber und scheint uns des Todes Nähe anzukündigen. Steige in ein Schiff – und du bist nur einen Schritt vom Tode! Setze dich zu Pferd – am Straucheln eines Fußes hängt dein Leben! Gehe durch die Straßen der Stadt – soviel Ziegel auf den Dächern sind, soviel Gefahren bist du ausgesetzt! Ist eine Waffe in deiner oder deines Freundes Hand – der Schade lauert auf dich! Wie viel wilde Tiere du siehst – sie sind gerüstet, dich zu verderben! Und wenn du dich auch in einen ummauerten Gar­ten einschließen willst, wo nichts als Lieblichkeit dir erscheint – auch da lauert zu­weilen eine Schlange! Immerzu ist dein Haus der Feuersbrunst ausgesetzt, alle Tage kann es dich arm machen, alle Nächte kann es dich erschlagen! Der Acker ist in Ge­fahr vor Hagel, Reif, Dürre und anderem Unwetter – und das bedeutet für dich Mißwachs und Hunger! Ich übergehe Vergiftungen, Heimtücke, Räuberei, offene Gewalt, die uns im eigenen Haus oder auch draußen nachstellen! Müsste nicht unter solchen Ängsten der Mensch ganz elend sein, der sein Lebtag halbtot ist und seinen geängstigten und matten Geist ärmlich und kränklich erhält, als ob immerzu über sei­nem Nacken ein Schwert hinge? Du magst sagen, das alles geschehe immerhin selten oder wenigstens doch nicht immer und nicht allen Leuten, außerdem doch niemals alles zusammen. Das gebe ich zu; aber das Beispiel anderer lehrt uns, daß es auch uns zustoßen kann, und unser Leben macht nicht mehr als das ihrige eine Aus­nahme; deshalb müssen auch wir notwendig Furcht und Schrecken empfinden, es könnte auch uns begegnen! Was ist aber unseliger als solches Zagen? Außerdem würde es doch nicht ohne Verachtung Gottes abgehen, wenn man sagen wollte, er habe den Menschen, das edelste seiner Geschöpfe, den blinden und zufälligen Stößen des Schicksals ausgesetzt! Aber ich wollte ja hier bloß vom Elend des Menschen re­den, wie er es empfinden müßte, wenn er der Herrschaft des Zufalls unterworfen wäre.

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Zusammenfassung

  1. in Bezug auf vergangene Ereignisse
    1. für Freundlichkeiten sollten wir uns diesen Menschen dankbar zeigen, aber in erster Linie gegenüber Gott, der Quell aller Güte
    2. für erlittenen Verlust sollten wir es annehmen, da es Gott so gewollt hat, aber wir müssen es auch uns zuschreiben
    3. bei allen Verbrechen sollten wir immer jene beiden Wahrheiten bedenken: Gottes Gerechtigkeit und die Sündhaftigkeit des Menschen
  2. in Bezug auf künftige Ereignisse
    1. wir sollten uns die menschlichen Hilfsmittel zunutze machen, aber uns der rechtmässigen Mittel der göttlichen Vorsehung bedienen, die er uns anbietet
    2. wir sollten nach dem eifern, was uns als nützlich erscheint, aber uns letztendlich auf Gottes Weisheit als Führer und nicht auf andere Hilfen verlassen
  3. wir sind daher fähig, alle Hast und Vermessenheit abzulegen und fortwährend zu Gott zurufen

Text

Unterdessen wird aber der Fromme die untergeordneten Ursachen (causas inferiores) nicht außer acht lassen. Er wird nicht etwa aus der Einsicht, daß die, welche ihm wohl tun, ja Diener der Güte Gottes sind, den Schluss ziehen, er könne sie (mit Undank) übergehen, als ob sie für ihre Freundlichkeit (humanitas) keinen Dank verdient hätten, sondern er wird sich ihnen von Herzen verpflichtet fühlen, sich gerne als den Beschenkten bekennen und ihnen nach Fähigkeit den Dank auch durch die Tat abzustatten sich bemühen. Kurz, er wird gewiss Gott als den vornehmsten Urheber beim Empfang guter Gaben loben und preisen, aber er wird die Menschen eben als seine Diener ehren und wird, wie es doch tatsächlich der Fall ist, einsehen, daß er durch Gottes Willen denen zu Dank verpflichtet ist, durch deren Hand Gott sich hat wohltätig erweisen wollen! Hat er aus Nachlässigkeit oder Unvorsichtigkeit ei­nen Schaden erlitten, so wird er zwar feststellen, daß dies aus Gottes Willen ihm zugestoßen sei, aber er wird es doch auch sich selbst zuschreiben! Ist einer an einer Krankheit gestorben, welchen er zu pflegen verpflichtet war, aber nachlässig behan­delt hat, so wird er zwar durchaus wissen, daß der Betreffende zu dem Ende gekom­men sei, dem er nicht entgehen konnte, aber er wird doch darüber seine Sünde nicht gering achten; im Gegenteil: er hat gegen jenen Menschen sein Amt nicht treu er­füllt und wird deshalb die Sache so ansehen, als ob er durch Schuld seiner Nach­lässigkeit gestorben wäre. Noch viel weniger wird er bei einem Mord oder Dieb­stahl die dabei wirksame Verruchtheit und Bosheit seines Herzens mit dem Vorwand göttlicher Vorsehung entschuldigen; er wird vielmehr in der gleichen Tat Gottes Gerechtigkeit und des Menschen Bosheit, wie sie sich beide offenba­ren, in ihrer Verschiedenheit betrachten. Und ganz besonders wird er hin­sichtlich der Zukunft auf dergleichen untergeordnete Ursachen Acht haben. Denn er soll es zu den Segnungen des Herrn rechnen, wenn es ihm nicht an menschlicher Hilfe fehlt, die er zu seinem Wohlergehen in Anspruch nehmen kann. Aus dem Grunde wird er nicht ablassen, Rat zu suchen, wird auch nicht träge werden, die Hilfe solcher Menschen anzurufen, die ihn wohl unterstützen können; nein, er wird bedenken, daß ihm alle Geschöpfe, die ihm hilfreich sein können, von dem Herrn an die Hand ge­geben werden, und deshalb wird er diese als rechte Werkzeuge der göttlichen Vor­sehung zu seinem Besten gebrauchen. Und obwohl er unsicher ist, welchen Erfolg seine Unternehmungen haben werden – abgesehen davon, daß er weiß: der Herr wird in allem sein Bestes im Auge haben! -, wird er doch mit Eifer das erstreben, was ihm nützlich erscheint, soweit er es durch Verstand und Nachdenken schaffen kann. Und doch wird er bei seinen Entschlüssen nicht dem eigenen Sinn verfallen sein, sondern sich der Weisheit Gottes anbefehlen und sich durch seine Führung zum rech­ten Ziel leiten lassen. Auch wird er sein Vertrauen nicht dermaßen an die äußeren Hilfen hängen, daß er in ihnen sicher ruht, wenn sie vorhanden sind, aber alsbald wie ein Verlorener erzittert, wenn sie fehlen. Er wird eben sein Herz stets auf Gottes Vorsehung allein richten und sich vom festen Blick auf sie nicht durch die Betrachtung der jeweiligen Lage abbringen lassen. So wusste auch Joab sehr wohl, daß der Ausgang der Schlacht in Gottes Hand und Willen stehe; aber er ergab sich darüber doch nicht der Untätigkeit, sondern führte mit Fleiß aus, was seines Amtes war, überließ indessen dem Herrn den Ausgang: „Lasset uns stark sein für unser Volk und für die Städte unseres Gottes; der Herr aber tue, was in seinen Augen gut ist“ (2. Sam. 10,12). Wenn wir so denken, werden wir uns von allem Vorwitz, allem falschen Vertrauen auf uns selbst und jede andere Kreatur fernhalten und uns immerfort zur Anrufung Gottes getrieben sehen. In dieser Denkweise wird aber auch unser Herz in guter Zuversicht gestärkt werden, so daß wir ohne Zaudern auf alle Gefahren, die uns auch umgeben mögen, mutig und tapfer herunterblicken.